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Rachel Weisz als Historikerin Deborah Lipstadt in "Verleugnung".

© SquareOne/Universum

Filmdrama „Verleugnung“: Der Holocaust vor Gericht

Kampf um die Wahrheit: In Mick Jacksons Gerichtsdrama „Verleugnung“ bekommt es Rachel Weisz mit einem Leugner der Schoah zu tun. Die Geschichte basiert auf einem wahren Fall.

Es ist ein beschämender, makabrer Gedanke. Den Holocaust beweisen? Minutiös belegen, dass es Löcher in der Gaskammerdecke in Auschwitz gab, durch die das tödliche Gas einströmte? Das verbietet schon der Respekt vor den Opfern.

Deborah E. Lipstadt, Professorin für Jüdische Zeitgeschichte an der Emory University in Atlanta, lag nichts ferner als solche Beweisführung. Aber sie musste es tun. „No holes, no Holocaust“, darum ging es im Kern in jener Gerichtsverhandlung in London, die David Irving mit seiner Klage gegen die US-Historikerin und ihren Verlag Penguin Books angezettelt hatte.

Der Holocaustleugner bezichtigte Lipstadt seinerseits der Verleumdung, da sie ihn einen Lügner genannt hatte. Geschäftsschädigung, so Irvings Vorwurf. Der Prozess zog sich vier Jahre hin, von 1996 bis 2000.

Mick Jacksons „Verleugnung“ rekapituliert den Fall nun fürs Kino. Ein lehrreicher Film, mit Rachel Weisz als zarter, zäher Kriegerin, Timothy Spall als keineswegs monströsem, eher schrulligem Einzelkämpfer Irving und aufschlussreichen Drehbuch-Dialogen von David Hare.

Es geht um Logik, nicht um Moral

Vor allem lernt man viel über das britische Rechtssystem. Nicht nur dass in England die Beweislast umgedreht ist, sondern auch, dass es die Gewinnchancen verringert, wenn die Beklagte persönlich auftritt oder gar Holocaust-Überlebende. Es geht um Logik, nicht um Moral. Nicht einmal Lipstadts Anwälte erscheinen vor dem Richter. Vielmehr wird eigens ein prozessführender Anwalt angeheuert, der fürs Strategische und die Show zuständig ist. Tom Wilkinson verleiht dem Schotten namens Richard Rampton kantig-knarzige Konturen. Einer, der das Leben liebt, Akten frisst und edlen Rotwein am liebsten aus Plastikbechern trinkt.

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Ansonsten findet sich wenig Sinnliches in diesem Gerichtsdrama. Schuss, Gegenschuss, wohin mit der Kamera? Der Regisseur vermag es nicht, die Schlacht der Worte, den Krieg der Argumente visuell eindrücklich umzusetzen. Rachel Weisz joggt verbissen durch London, mehr fällt Jackson nicht ein zum Dilemma einer wahrheitsliebenden Frau, die ein rechtsradikaler Gegner in Zugzwang bringt. Nicht einmal dem Auschwitz-Besuch von Lipstadt und ihrem Anwaltsteam kann der Film mehr abgewinnen als aschgraue Gedenkstätten-Winterbilder. Die Empathie für die Opfer – ein eher hilfloses Bild.

Respekt für das suspekte britische Rechtssystem

Dabei birgt die true story reichlich dramatisches Potenzial und eine komplexe Figurenkonstellation. David Irving inszeniert sich geschickt als undogmatischer Wissenschaftler, dem der altehrwürdige britische Akademiker-Club den Zugang verwehrt. Er verteidigt sich selbst, David gegen Goliath. Oder die unerlässliche, aber hartherzige Absage an die Schoah-Überlebenden, ihr Leid selbst bezeugen zu dürfen. Oder der Gedanke, dass das Leugnen des Holocaust salonfähig geworden wäre, hätte Lipstadt verloren.

Ihre Anwälte, auch das eine Spezialität der Briten, erfahren das Urteil 24 Stunden vorab und dürfen es der Klientin nicht verraten. Nicht einmal daraus destilliert der Film Suspense. Schön jedoch die Geste, mit der Lipstadt/Weisz dem zunächst fremden, ja suspekten Rechtssystem ihren Respekt zollt. Am Anfang des Verfahrens hatte sie sich geweigert, ihr Haupt vor dem Richter zu neigen. Am Ende tut sie es dann, es ist nur eine winzige Bewegung.

In 7 Berliner Kinos; OmU: Kino in der Kulturbrauerei, Passage, OV: Rollberg

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