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Ein Äffchen ist der treue Begleiter von Django Reinhardt (Reda Kateb) - und später der Grund für seinen Widerstand gegen die Nazis.

© Weltkino

Film über Django Reinhardt: Sechs Saiten für die Freiheit

Wie der King of Swing politisiert wurde: das Biopic „Django – Ein Leben für die Musik“.

Die Ouvertüre soll gleich das Zeichen setzen. Eine winterkahle Waldlichtung, auf der eine Gruppe Sinti ein provisorisches Lager eingerichtet hat und Musik macht, melancholisch schöne Weisen. Zigeunerweisen, denn von „Zigeunern“ und noch nicht von Sinti ist auch im Film die Rede. Im Kriegsjahr 1943.

Kopf der Musikanten ist ein alter, bärtiger Barde, dessen Wehmutsblick nurmehr nach innen oder in jenseitige Ferne geht. Ein blinder Seher? Dann fallen Schüsse, Kinder und Frauen werden gejagt, und eine Kugel trifft den Alten in die Stirn. Das ist fast das Ende der schwermütigen Komödie, die nun im Rückblick erst beginnt: mit einem Konzert Anfang der 1940er Jahre in einem voll besetzten Pariser Theater. Alle, auch die zahlreichen deutschen Besatzer in Ausgehuniform, wollen den „King of Swing“ erleben, obwohl diese eigentlich amerikanische „Negermusik“ unter den Nazis und der kollaborierenden Vichy-Regierung in Frankreich offiziell verboten ist. Und dieser musikalische König ist ein Sinto. Ihm hat der französische Produzent und Drehbuchautor Étienne Comar sein spätes Spielfilmdebüt „Django – Ein Leben für die Musik“ gewidmet, mit dem im Februar bereits die Berlinale eröffnet hatte.

"Ich bin nur Musiker"

Django Reinhardt hatte, anders als sein erfundener blinder Musikerkollege, nicht nur die Verfolgung der Sinti und Roma durch seine Flucht in die Schweiz überlebt. Er wurde von den Nazis zunächst sogar hofiert. Der blinde Künstler, der auch in der Gefahr allein sich selbst oder eine imaginäre Welt sieht, dient dabei als Symbol, weil Django als Star und eleganter Frauenheld durchaus das Spiel mitspielt. Als er nach anfänglichen Ausflüchten schließlich einwilligt, auf Einladung (angeblich) von Goebbels auch in Deutschland zu spielen, wenngleich mit etwas weniger Swing im Programm, rechtfertigt er sich wie einst der Akteur Hendrik Höfgen in „Mephisto“. Jener sagte, als er wie das reale Vorbild Gustaf Gründgens nach 1933 weiter in Berlin auftrat: „Ich bin nur ein Schauspieler!“ Django Reinhardts Credo lautet: „Ich bin Musiker. Wer meine Zuhörer sind, kümmert mich nicht!“

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Natürlich gilt das so nicht für die Intentionen des Films. Der will das Erwachen des unpolitischen Künstlers zeigen, indem es bei einem weiteren, halb privaten Party-Konzert in einer Villa am See in der französischen Provinz zum Eklat kommt. Django und seine Sinti-Band spielen wiederum vor einem schon selbstberauschten, immer enthemmter mitgehenden Publikum ihren Gipsy-Jazz, viele deutsche Offiziere tanzen mit ihren französischen Freundinnen, als sei man in einem Nachtclub im Vorkriegsparis oder im Berlin der Weimarer Republik – bis ein Obernazi die Party beendet und die Festnahme der Musiker befiehlt. In dieser Nacht begibt sich Django mit seiner Familie auf die Flucht.

Django als schwermütiger Dandy

Doch wirkt dieser Konflikt zwischen Kunst, Politik und Leben eher als Beiwerk. Im Zentrum stehen die virtuos gespielten Musikszenen. Reda Kateb gibt Django allen Reiz eines leicht schwermütigen Dandys, eines umflorten Tagträumers und deutet zudem die Gitarrengriffe artistisch an, während im Off den realen Sound der wunderbare Jazzer Stochelo Rosenberg spielt. Auch ist die alte Dame Bimbam Merstein, eine Sinti-Musikerin, mit ihrem schön verwitterten Gesicht eine eindrucksvolle Django-Mutter. Und die elegante Cécile de France verleiht ihren Auftritten als Geliebte und amoralisch-moralische Muse vom Place Pigalle einen Hauch von Film Noir. Alles gutes Dekor. Nur das Drama, erotisch oder politisch, es fehlt. Zu den Themen Kollaboration und Verfolgung entsteht hier kein gesellschaftlicher Hintergrund.

Von der Flucht vor den Nazis durch Winter, Wald und Eis braucht es so bloß einen Schnitt, und Django ist wieder in Paris. Gerettet, 1945, da hat er schon sein ergreifendes Requiem für die ermordeten Sinti und Roma komponiert. Und wieder bleibt einzig: die Musik.

In 14 Berliner Kinos, OmU: B-Ware!, Babylon Kreuzberg, Bundesplatz, Cinema Paris, Delphi Lux, Filmkunst 66, Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Sputnik, Zukunft

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