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Drei Jahre wühlte sich Daniel Jones (Adam Driver) durch 6,3 Millionen Seiten an Geheimdokumenten.

© DCM

Film über den Krieg gegen den Terror: Wenn Folter hilft, ist sie auch legal...

Der Enthüllungsthriller „The Report“ rekonstruiert die Arbeit in den Untersuchungsausschüssen zu den Verhörmethoden der CIA.

Von Andreas Busche

7000 Seiten sind eine Menge Holz, sofern nicht auf recycyltem Papier gedruckt. Heute hat niemand mehr die Zeit für solch eine aufwendige Lektüre, zumal als Politiker in einem Untersuchungsausschuss. „Die Bibel erzählt die gesamte Menschheitsgeschichte und ist kürzer“, meint Denis McDonough (Jon Hamm), der Stabschef Barack Obamas, zu Daniel Jones (Adam Driver), der Jahre damit verbracht hat, im Auftrag der demokratischen Senatorin Dianne Feinstein die Verhörmethoden der CIA im „Krieg gegen den Terror“ in einem Bericht zusammenzutragen. Einmal sitzt Jones verloren zwischen zwei Papiertürmen. Dumm nur, dass die CIA die Kurzfassung, die dem Justizministerium vorgelegt werden soll, seitenweise geschwärzt hat. „Da, wo ich herkomme, handelt uns Papier nur Ärger ein“, erklärt ihm ein CIA-Mitarbeiter. „Da, wo ich herkomme“, entgegnet Jones, „steht auf Papier Recht und Ordnung.“

Drehbuchautor Scott Z. Burns, ein alter Weggefährte Steven Soderberghs, der auch als Produzent fungiert, hat sich für sein Regiedebüt, die Amazon-Produktion „The Report“, gewissermaßen die geschwärzten Stellen des knapp 500-seitigen Berichts vorgenommen. Ein zentrales Wort fehlt in dem Bericht jedoch: Folter. Im offiziellen Jargon spricht der Geheimdienst nur von „erweiterten Verhörtechniken“, dazu gehörte auch das sogenannte „Waterboarding“ – die Idee zweier Air-Force-Psychologen, die sich mit pseudowissenschaftlichen Methoden Gehör bei der CIA verschafften. Es war die Zeit nach 9/11, in der sich mit dem Argument des Heimatschutzes, auch im Wissen um das eigene Versagen bei den Anschlägen auf das World Trade Center, jede Schweinerei rechtfertigen ließ. „Wenn es funktioniert, ist es legal“, lautete das Motto.

Niemand liest 7000 Seiten lange Untersuchungsberichte

Der Ruf nach Untersuchungsausschüssen erlebt in den USA gerade wieder Hochkonjunktur. Doch die Motivation, sich mit komplexen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, bleibt gering. Auch in Hollywood weiß man natürlich, dass sich niemand freiwillig 7000 Seiten antut, um die Weltpolitik besser zu verstehen. Nur so lässt sich wohl der jüngste Boom von investigativen Thrillern erklären, die sich der Aufklärung verschreiben. Politisches Kino kommt dabei nicht zwangsläufig heraus, meist handelt es sich eher um die Warenform einer (politischen) Weltanschauung. Die Verfilmung von Untersuchungsausschüssen ist dabei nichts anderes als eine Bestselleradaption – oder eben ein Bibelfilm.

In „The Report“ herrscht nicht mehr die Aufbruchsstimmung von Watergate-Thrillern wie „Die Unbestechlichen“, inzwischen hat sich ein desillusioniertes Katergefühl eingestellt. Als Daniel Jones, frisch von der Uni, in Washington ankommt, schießt er noch schnell ein Selfie vor dem Capitol Hill. Später bleibt die Schneekugel vom Weißen Haus achtlos liegen. Das Vertrauen in das System der checks and balances wird von einem politischen Pathos getragen, dem sich auch Burns nicht ganz entziehen kann.

Auch die Demokraten wollten die Untersuchungen verheimlichen

In der Realität sieht es dann so aus, dass auch die Demokratin Feinstein (Annette Bening), die Jones auf die von der CIA vernichteten Verhörvideos aus geheimen US-Gefängnissen ansetzt, parteipolitischen Interessen verpflichtet ist. Seine Ermittlungen erstrecken sich bis weit in die Obama-Ära, dessen erste präsidiale Amtshandlung darin bestand, Folter als Mittel der Wahrheitsfindung zu verurteilen. An lückenloser Aufklärung ist aber auch Obama nicht interessiert: Er will in Washington niemanden verprellen, um seine Wiederwahl nicht zu gefährden. „Demokratie ist schmutzig“, wird dem Idealisten Jones erklärt.

Um Transparenz geht es in „The Report“ jedoch nur vordergründig. Seit der amerikanische Präsident seinen Landesverrat auf Twitter gestehen und anschließend behaupten kann, er habe ein „perfektes“ Telefonat geführt (ein Verbrechen, das man in der Öffentlichkeit ausplaudert, kann schließlich kein Verbrechen sein, so die Logik dahinter), haben sich die Maßstäbe von checks and balances grotesk verschoben.

Ein Lob der Überparteilichkeit

Burns versucht, die Ära der Überparteilichkeit heraufzubeschwören. Darum ist „The Report“ gegenüber Barack Obama, der einen Drohnenkrieg führt, während er Folter verurteilt, genauso kritisch wie gegenüber den Republikanern, die eine Aufklärung behinderten. Wenn am Ende Dianne Feinstein und John McCain zu sehen sind, die vor dem US-Senat ihr Anti-Folter-Gesetz durchbringen, ist das der schwache Nachhall einer besseren Vergangenheit. McCain starb im vergangenen Jahr an Krebs, Feinstein wäre fast über die E-Mail-Affäre um Hillary Clinton gestolpert. Heute könnten sich Demokraten und Republikaner nicht mal auf die Ablehnung von Folter einigen.

Auch Hollywood spielte seinen Part im „Krieg gegen den Terror“. Während die Ermittlungen noch laufen, startet im Kino bereits Kathryn Bigelows „Zero Dark Thirty“ über die Ergreifung Osama bin Ladens. Jones sieht den Trailer im Fernsehen, ein seltsamer Augenblick von Ungleichzeitigkeit. Im Kino ist der Krieg schon gewonnen.
In den Kinos b-ware, Bundesplatz, Eva, Il Kino. Ab dem 28. November auch über Amazon Prime.

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