zum Hauptinhalt
Immer auf dem Teppich bleiben. Arbeiter verlegen den Roten Teppich vor dem Berlinale Palast.

© Thilo Rückeis

Februar ohne Berlinale (7): Überlebensstrategien für das Filmfestival

Eigentlich sollte jetzt die Berlinale stattfinden. Wir verkürzen das Warten aufs Publikumsfest im Juni, erinnern uns - und empfehlen Berlinale-Filme

Von Andreas Busche

Es geht nicht anders, die Berlinale fällt aus in diesem Februar. Keine tollen Tage vom 11. bis 21., kein Kino satt, keine Stars, wir warten auf das Publikumsfest im Juni. Und verkürzen die Zeit, rollen den roten Teppich aus, für die schönsten, verrücktesten Festivalerinnerungen – und empfehlen täglich einen Berlinale-Film für zu Hause.

Festivals muss man wie eine sportliche Herausforderung nehmen. Als Filmkritiker erntet man ein müdes Schmunzeln, wenn wir uns darüber beklagen, wie anstrengend es doch sei, vier bis fünf Filme am Tag zu gucken. Und abends dann noch diese Empfänge ... Mit Mitleid brauchen wir nicht zu rechnen. Dabei erfordern Filmfestivals eine gute Konstitution, viel Schlaf und eine ausgewogene Ernährung. Im 24/7-Filmrausch wird das eine oder andere gerne vernachlässigt. Von den guten Vorsätzen, die man zu Beginn fasst, bleibt nach elf Tagen nicht viel übrig.

Vielleicht stellt man sich Filmfestivals am ehesten wie einen Marathon vor. Nach einem flotten Start macht sich ab gut der Hälfte der Strecke der unvermeidliche Durchhänger bemerkbar; hat man den toten Punkt überwunden, tragen einen die Endorphine beseelt über die Ziellinie. Man kann nach der festival fatigue die Uhr stellen.

Auf der Berlinale ist dieser Zustand zudem begünstigt durch regionale Besonderheiten wie Kälte, Regen, weite Wege und die Unterversorgung mit Essen, das diesen Namen auch verdient. Bis der kulinarische Festivaldirektor Dieter Kosslick den „Food Court“ vor den Potsdamer Platz Arkaden erfand, bestand die Berlinale-Diät aus pappigen Brezeln, Pizza und belegten Bagels im schummerigen Shopping-Ambiente. Spätestens ab dem Dienstag fordert das Festival dann seinen Tribut, die äußerliche Verwahrlosung setzt ein. Und plötzlich fällt einem beim Zählen der Festivalfavoriten auf, dass der letzte Bären-Kandidat auch schon wieder zwei Tage zurückliegt.

Auf die kulinarische Schmalkost folgt vorübergehend die cineastische, ein Teufelskreis. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass der Durchhänger in der Halbzeit zu einer Festival-Dramaturgie dazugehört. In Berlin macht sich der Verfall auch akustisch bemerkbar: Erst wenn bei den Pressevorführungen das Gehüstel, Geniese und Gerotze der Kolleg*innen anschwillt, stellt sich dieses typische Berlinale-Feeling ein. So langsam ist man drüber. Doch Filmkritiker*innen sind masochistisch veranlagt. Im Mai sitzen sie dann in Cannes an der sonnigen Croisette und reden über die Berlinale wie über eine Kriegserinnerung. In ihren Worten schwingt Stolz mit.

BERLINALE-FILMTIPP

Winterdieb (2012)

Halbzeitsieger der Kosslick-Ära ist

Ursula Meiers Ski-Ressort-Drama über

eine mittellose Frau und ihren kleinen

Bruder, das mit dem bewegendsten Twist der jüngeren Filmgeschichte aufwartet. Am Ende gab’s einen Silbernen Bären. Verfügbar bei Good!Movies, Pantaflix und Mubi.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false