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Fatih Akin

© dpa

Fatih Akin: "Ein Werk voller Toleranz und Mitgefühl"

Ausgerechnet Ostfriesland: Fatih Akin erhält den Integrationspreis des Filmfestivals Emden-Norderney.

Während in den Arkaden des Kurparks von Norderney die Firma Mobilis den Kurgästen elegant leise schnurrende Elektromobile im Birkenstock- oder Chopper-Stil zur Testfahrt anbietet, arbeiten nur eine Mini-Rolli-Tour entfernt einige Junggesellenabschiede mit Schnäpsen und Gejohle am Lärmpegel. Im nahen Stadtzentrum: feine Boutiquen neben Ramschläden und Leerstand. Der Clash der Kulturen ist im altehrwürdigen Nordseebad alltägliche Praxis. Doch das liegt wohl am wenigsten an den dort eingewanderten und angesiedelten Menschen aus fünfzig Nationen. Wie sie erfolgreich und friedlich zusammenarbeiten, davon berichtet stolz Kurdirektor Wilhelm Loht im nahen, erlesen renovierten Conversationshaus auf einer Pressekonferenz.

Anlass war eine abendliche Preisverleihung im noch schmuckeren Kurtheater aus dem 19. Jahrhundert. Dort wurde im Rahmen des 27. Filmfestivals Emden- Norderney zum zweiten Mal der von der Inselverwaltung ausgeschriebene Norderneyer Integrationspreis vergeben – eine Auszeichnungs-Kategorie, die derzeit wegen des schwammigen Integrations-Begriffs und einem Hang zur Inflation einen leicht dubiosen Beigeschmack hat. Nicht nur deshalb wäre die Würdigung in Norderney vielleicht als Preis für interkulturelle Verständigung besser beschrieben. Denn gehen soll sie laut Ausschreibung an eine Persönlichkeit, die sich „in ihrem filmischen Werk in besonderer Weise um das Zusammenleben und die Aussöhnung von Menschen verschiedener Kulturen, Religionen oder politischer Systeme verdient gemacht hat“.

Fatih Akins Werk steht laut Jury für "Toleranz, humanitäre Weltanschauung und Mitgefühl"

Das ist in diesem Jahr mit Fatih Akin einer der bedeutendsten deutschen Filmemacher. Eine Auswahl, die die von ehemaligen Grimme-Preisträgern dominierte Jury aber nicht mit seiner letzten, dem gerade höchst aktuellen Armenier-Genozid gewidmeten Arbeit „The Cut“ begründet sondern mit dem ganzen Werk des Regisseurs und seiner „humanitären Weltanschauung“, die „für Toleranz, Mitgefühl und ein Miteinander“ stehe. Außerdem habe Akin „auf unnachahmliche, emotional mitreißende Weise gezeigt, wie schmerzhaft die sogenannte Integration sein kann“. Als Schirmherr und Laudator hatte man Ex-Bundespräsident Christian Wulff gewonnen, der in seiner leidenschaftlichen Lobrede neben einem dezidierten Plädoyer für den Multikulturalismus betonte, dass die Bedrohung für „unsere Art zu leben“ derzeit nicht von außen, sondern von innen komme. Fatih Akin ergriff nur kurz das Wort, schaffte es aber in seinen prägnanten Dankesworten, den Integrationsbegriff stimmig vom äußeren Anspruch an die Sich-Einzugliedernden in einen Appell an die eigene selbstbewusste Haltung zu wenden: Die Aufforderung, sich nicht mehr mit dem Blick der anderen zu sehen und zu definieren. Das Preisgeld von 5000 Euro wird an eine noch auszuwählende Initiative weitergehen.

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