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Symbolbild für Pessimismus.

© Niki Love/Fotolia

Fastenaktion der evangelischen Kirche: Warum wir nicht einfach auf Pessimismus verzichten können

Die evangelische Kirche startet mit der Aktion „Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus“ in die Fastenzeit. Gut gemeint, aber gefährlich. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hannes Soltau

Was waren das noch für Zeiten, als das Fasten einfache Spielregeln hatte: keine Zigaretten, kein Fleisch, kein Alkohol oder kein Sex. Heute scheint das nicht mehr zu genügen. So stellte die evangelische Kirche ihre Fastenaktion in diesem Jahr unter das Motto „Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus“. Ein Wahlspruch, der nicht nur naiv, sondern schlicht gefährlich ist.

„Angst und Sorge sind zentrale Elemente menschlichen Bewusstseins. Sie dürfen aber nicht dominieren und Menschen in Hoffnungslosigkeit fallen lassen“, begründen die Verantwortlichen die Aktion. Auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage ist der Slogan „7wochenohne“ in peppigem Mintgrün zu bewundern. Im dazugehörigen Shop kann man Ratgeberbücher und einen Kalender mit Ermunterungen kaufen. Sogar eine App zum Download für 3,99 Euro existiert, die den Nutzer Tag für Tag an seine Zuversicht erinnern soll.

Schließlich verkündete Jesus in seiner Bergpredigt eine Empfehlung zum aufgesetzten Lächeln: „Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler. Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten.“

Gesellschaftliche Wundstellen werden zugekleistert

Wie lange mussten sich Depressionskranke anhören, dass sie sich doch einfach mal zusammenreißen sollen? Nein, Menschen können ihre negativen Haltungen und Gedanken nicht einfach abstellen. Folgerichtig kritisierte der Philosoph und Publizist Alexander Grau die Aktion treffend als „dümmliches Life-Coach-Gequatsche, das man an jeder Ecke bekommt von irgendwelchen Lebensberatern“.

Angesichts der rassistischen Morde in Hanau ist es an Zynismus kaum zu überbieten, es als erstrebenswert zu erachten, die Welt in den kommenden Wochen ausschließlich von der besten Seite zu betrachten. Der Pessimismus dieser Tage hat seine Ursachen. Sonst ließen sich die gesellschaftlichen Probleme auch mit Wahlsprüchen wie „Miteinander! Sieben Wochen ohne Rassismus“ lösen. Wenn aber nicht sein darf, was nicht sein soll, werden gesellschaftliche Wundstellen einfach zugekleistert.

Der Weg zur Erlösung geht durch die Wahrnehmung des Leidens. Das ist eine zentrale Lehre des Christentums. Es war in seinen Anfängen eine durchaus pessimistische Religion. Über Jahrhunderte verschoben seine Vertreter das Seelenheil auf das Jenseits. Wer nun aber aus vermeintlichen Miesmachern wieder lächelnde Mitmacher formen möchte, der bejaht die Welt in ihrer Schlechtigkeit eher, als dass er das Übel überwindet.

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