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Alle Autos fliegen hoch. Verfolgungsjagd im Packeis – mit U-Boot.

© Universal

"Fast and Furious 8": Großes Actionkunstkino

So kann man mit seinen Helden alt werden: „Fast and Furious 8“ ist Massenkunst in ihrer enthemmtesten Ausformung. Mit Stars wie Vin Diesel und Charlize Theron.

Von Andreas Busche

„Baby an Bord“ ist ein Warnhinweis, den man künftig mit anderen Augen lesen wird. Die Boliden- und Testosteron-Leistungsschau „Fast and Furious“ hat sich seit ihrem wundersamen Reboot mit dem vierten Teil von 2009 schon einige spektakuläre Action-Szenarien einfallen lassen, etwa ein Crash-Derby in den Straßen von Rio de Janeiro, einen Fallschirmsprung mit einer Flotte Luxussportwagen und Wolkenkratzer-Hopping mit einem Turbocar vor der Skyline von Abu Dhabi.

Der achte „Fast and Furious“-Film fügt diesem Kanon des automobilen Exzesses einen weiteren denkwürdigen Moment hinzu – Sportwagen spielen ausnahmsweise keine Rolle. Diesmal prügelt und schießt sich Jason Statham, jüngster Zuwachs im Team, einmal von hinten nach vorne durch ein Flugzeug, während er im Arm ein Baby balanciert. In den Kopfhörern quäken die Teletubbys, zur Vermeidung eines frühkindlichen Traumas. Das zahnlose Lächeln ist ein süßlicher Kontrast zu den unaussprechlichen Schweinereien, die außerhalb des eingeschränkten Sichtfelds geschehen.

Die Choreografie auf engstem Raum ist eines Jackie Chan würdig, immer noch die Referenzgröße, was die Kombination von Martial Arts und Humor angeht. Statham, wahrlich kein begnadeter Darsteller, hat sich einen Namen gemacht mit kleinen B-Movies, in denen er selbst der teuerste Spezialeffekt war. Einer der letzten „analogen“ Actionstars in Hollywood. Was er in „Fast and Furious 8“ nur mit seinen Fäusten und einem Baby anstellt, ist Körper-Comedy in höchster Vollendung.

Das Ensemble ist der Star

Die Szene illustriert auch, wie sich die Reihe seit ihren bescheidenen Anfängen vor 16 Jahren verändert hat. Der erste Film um einen Undercover-Cop, der in der illegalen Rennszene ermittelt, besaß kaum kommerzielles Potenzial. Erst mit der Rückkehr von Vin Diesel 2009 entwickelte die Reihe alle Merkmale, die „Fast and Furious“ zu einem der erfolgreichsten Kino-Franchises machten.

Sollten noch Zweifel daran bestanden haben, dass „Fast and Furious“ großes Ensemblekino ist, dürfte der achte Teil diese wohl endgültig ausräumen. Nach dem tragischen Tod von Hauptdarsteller Paul Walker mitten in der Produktion des siebten Films stand kurz die Frage im Raum, ob man die Reihe ohne ihn überhaupt fortsetzen sollte. Der Film wurde dann mit einem Körperdouble und CGI-Effekten fertiggestellt, es war ein rührendes Requiem für den verstorbenen Kollegen und Freund. „Fast and Furious 8“ unterstreicht nun, dass die Serie längst größer ist als die Summe der einzelnen Teile – obwohl mit Vin Diesel, Dwayne Johnson und Jason Statham die aktuell drei größten männlichen Actionstars zur Besetzung gehören.

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Die bestürzten Reaktionen auf Walkers plötzlichen Tod spielten damals perfekt in das Marketing der Reihe, die seit dem vierten Teil verstärkt das Motiv der Familie aufgreift. Als solche versteht sich die Fast-and-Furious-Clique um Dom Toretto (Vin Diesel). Ein Kodex der Straße, der noch vom ersten Film übrig geblieben ist. Das Thema der Familie, die füreinander einsteht, hat maßgeblich mit dem Erfolg der Reihe zu tun, die anders sein wollte als die übliche Blockbuster-Meterware. Die soapigen Momente gehören dramaturgisch nicht gerade zu den stärksten der Filme. Sie triefen vor Kitsch, visuell erinnert der Sonnenuntergang-Weichzeichner auch eher an Motorhauben-Airbrushs. Aber diese Szenen über Freundschaft und Loyalität fungieren als emotionales Schmiermittel, ihr Anteil am Phänomen „Fast and Furious“ ist daher nicht zu unterschätzen. Aus Freunden wurden Pärchen, aus Pärchen Eltern. Die Fans sind mit den Figuren älter geworden, das verbindet. Es ist ein wenig wie früher mit der „Lindenstraße“.

Avantgarde des Blockbusterkinos

An diesem Prinzip der Familie rüttelt der neue Film mehr als alle seine Vorgänger. Denn gerade als Dom und Letty (die unnachahmlich resolute Michelle Rodriguez) über die eigene Familienplanung nachdenken, taucht eine Cyberterroristin namens Cipher (Charlize Theron) auf der Bildfläche auf. Sie zwingt Dom, seine Freunde zu hintergehen. Er muss ihr helfen, eine EMP-Bombe zu stehlen, die Stromnetze großflächig lahmlegt, außerdem sensible Raketencodes. In erster Linie geht es in „Fast and Furious 8“ aber um einen unverzeihlichen Vertrauensbruch. Plötzlich steht Dom gegen seine Familie.

Das ist die Metaebene des Films. Darüber hinaus gibt es natürlich noch einen technisch-materiellen Aspekt. Diesmal unter anderem: eine der größten Massenkarambolagen der Kinogeschichte – es regnet, kein Witz, mitten in New York Autos vom Himmel – und eine Verfolgungsjagd zwischen einem Atom-U-Boot und einem Lamborghini. Wo James Bond und Jason Bourne zuletzt zunehmend auf einen Realismus abzielten, orientieren sich die „Fast and Furious“-Filme immer unverhohlener am Comic. Rein ästhetisch ist das Ergebnis pure Kinetik. Die digitalen Tableaux vivants besitzen fast skulpturalen Charakter, sie sind in ihrer ausgestellten Künstlichkeit dicht dran an einer Avantgarde des Blockbusterkinos. Massenkunst in ihrer enthemmtesten Ausformung. Oder einfach: Kino par exellence.

In 24 Berliner Kinos, OV: CineStar Sony Center, Neukölln Arcaden

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