zum Hauptinhalt
Hanna Schygulla in Barbara Baums "Lili Marleen"-Kostüm - zur Zeit in der Fassbinder-Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen.

© Barbara Baum

Fassbinder zum 70. Geburtstag: Am Bett von Hanna Schygulla

Am 31. Mai wäre Fassbinder 70 geworden. Rüdiger Schaper erinnert sich an eine kurze Begegnung mit dem großen Filmemacher, bei den Dreharbeiten zu "Lili Marleen" - und empfiehlt die Filmnacht im Delphi und die Vorführung des Films "Baal".

Doch, ich erinnere mich genau: wie ich am Bett von Hanna Schygulla stand. Am Bett von Hanna Schygulla am Set. In einem alten Gebäude, Reichpietschufer, West-Berlin. Fassbinder drehte „Lili Marleen“, ein deutsches Melodram. Ich war Volontär bei einer Zeitung, die es auch schon lange nicht mehr gibt, und sollte Fassbinder interviewen. In einem gewissen Alter bekommt man so einen Auftrag und läuft los. Sagt hallo, ich bin vom „Abend“ und würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen. Wenn man 21 ist, verfügt man über die nötige Mischung aus Naivität und Unverschämtheit, einen Rainer Werner Fassbinder zwischen zwei Szenen anzuquatschen.

Der Rauswurf tat nicht weh. Er schaute gar nicht auf von seinem Schreibblock und seiner Zigarette und sagte leise, geh zur Hanna, die hat Zeit. Ich tat, was er sagte (auch dafür muss man jung und penetrant sein) und fand die Schauspielerin im Krankenhausbett – als „Lili Marleen“-Sängerin, grau und bleich geschminkt, nach einem Selbstmordversuch. Was wusste ich vom Drehbuch! Ich wunderte mich nur, dass auch die Schauspielerin mit dünner Stimme sprach, die Augen geschlossen. Ich hörte sie noch sagen, dass sie jetzt nicht reden könne, später vielleicht – da hatte sich der Raum gefüllt mit unglaublich vielen Menschen, wurden Kommandos gegeben, war ein Schieben und Laufen, eine unglaubliche Spannung im Raum.

Die Kamera lief. Sie waren am Drehen und ich mittendrin. Das heißt, ich stand flach wie ein Brett gegen die Wand gepresst und hielt den Atem an. Die Szene war kurz, Krankenbesuch von Hark Bohm, glaube ich.

Der Film kam im Januar 1981 ins Kino. Auf der Premierenparty gab es Bärenschinken aus Alaska und Erdbeeren, mitten im Winter; das hat mich am stärksten beeindruckt. Ich erinnere mich auch an die unglaubliche Lache des Produzenten Luggi Waldleitner, der mir schräg gegenübersaß. Im Film bin ich nicht zu sehen. Aber es gibt da einen Schwenk im Krankenzimmer, bei dem ich, hätte er nur ein paar Sekunden länger gedauert, ins Bild gekommen wäre. Immerhin, wenn ich schon nicht mitgespielt habe bei „Lili Marleen“, ich habe auch nicht gestört.

Am 31. Mai wäre Fassbinder 70 geworden. Überall wird an ihn erinnert, nicht nur mit der Ausstellung im Martin-Gropius-Bau. Was daran liegen mag, dass er Geschichten erzählt hat von Menschen – und dass er unglaubliche Schauspieler dafür hatte. Fantastische Schauspieler gibt es immer, aber keine Regisseure und Erzähler wie er. Am 12. Mai, das wollte ich sagen, gibt es im Delphi die Fassbinder-Filmnacht. Und am 15. Mai im Haus der Festspiele den „Baal“ von Volker Schlöndorff mit dem Schauspieler Fassbinder. Alles sehen, unbedingt! Man hält immer noch den Atem an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false