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Apokalyptisch. Gewitterwolken über dem Ort Sörmeke bei Geseke (Nordrhein-Westfalen).

© DPA

Fantasy-Jugendbuch "Cryptos": Flucht in die Gefahr

Willkommen in der Digitaldiktatur: In Ursula Poznanskis Fantasythriller „Cryptos“ ist die Welt kaputt - und die Menschen leben nur noch online.

Die Menschheit hat es nicht geschafft, den Klimawandel aufzuhalten, das Leben auf der Erde ist nahezu unerträglich geworden. Hitze, Wüstenbildung und Überschwemmungen setzen den Menschen zu – und dennoch geht das Leben weiter. Dank des technischen Fortschritts fliehen die Menschen jetzt erst recht in virtuelle Welten, wo es sich bedeutend angenehmer lebt als in der Wirklichkeit. So sieht Ursula Poznanski in ihrem dystopischen Thriller „Cryptos“ die ferne Zukunft. Die österreichische Erfolgsautorin hat sich auf Jugendromane in den Grenzbereichen von Wissenschaft und Technik spezialisiert. Mit „Cryptos“ ist ihr wieder ein aufregendes Buch gelungen, das zur Auseinandersetzung mit Zukunftsthemen anregt.

Leben in Wohnkapseln

Die Flucht aus der Wirklichkeit ist in „Cryptos“ perfektioniert. Die Menschen wohnen in Wohndepots mit fünf Quadratmeter Fläche pro Person, Abstellkammern für Kapseln, in die sie sich mit einem speziellen Overall legen, um der Realität in x-beliebige Welten zu entfliehen. Die Erde wird nicht mehr von gewählten Politikern gelenkt, sondern von Konzernen, die die illusionäre Infrastruktur aufrechterhalten. Mastermind ist so ein Konzern in den Händen einer mächtigen Familie.

Heile digitale Welten

Jana, aus deren Sicht Poznanski ihren Thriller entwickelt, ist die jüngste Weltendesignerin im Team Mastermind. Spezialgebiet: heile Welten wie ein irisches Kerrybrook, in dem es sich friedlicher als jemals in der Realität leben lässt. Dann wird ausgerechnet in Kerrybrook eine Frau ermordet, etwas, was das Programm nicht vorsieht. Eine bedrohliche Entwicklung, die die Aufseher von Mastermind auf den Plan rufen. Jana muss handeln und begibt sich in ihre virtuelle Welt, um den Fehler zu finden.

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Es braucht eine Weile, bis man Poznanskis Konstrukt versteht, aber dann fesselt es den Leser. Jana kann aus einer Fantasiewelt in die nächste wechseln, sie muss nur, wie jeder andere ihrer Mitmenschen auch, zum Realitätscheck einmal für etwa eine Stunde zurück in die Kapsel, in die Realwelt, um sich zu waschen und kurz aufzutanken. Schon heute erlauben Computerspiele schnelle Fluchten, Poznanski entwickelt die Möglichkeiten konsequent weiter.

Saurier jagen im Dschungel

Ihre virtuellen Welten sind unzählig, historische Welten gibt es, aber auch Fantasiewelten. Man kann im Dschungel Saurier jagen oder das versunkene Venedig erleben, obwohl es kaum noch jemanden gibt, der sich an das echte Venedig erinnern kann. Poznanski schickt ihre Heldin auf eine wahre digitale Schnitzeljagd, um einem dramatischen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Sterben kann ein Spieler virtuell nicht, man wacht dann wieder in der Kapsel auf und taucht in eine neue gefährliche Welt ein. Problematisch wird es allerdings, wenn jemand durch die virtuelle Welt per Stromschlag in seiner Kapsel stirbt oder durch eine Umweltkatastrophe ganze Wohndepots ins Meer stürzen.

Wahrheit existiert nicht mehr

In Poznanskis unwirtlicher Welt überdecken Vergnügungssucht und Bequemlichkeit die Misere der realen Welt und den Hunger nach wahrer Information. Unmündige Bürger bewegen sich durch ihr virtuelles Leben wie durch einen ewigen Freizeitpark. Aber einige wenige durchschauen dieses System und seine Schattenseiten. „Cryptos“ zeichnet ein beklemmendes Szenario für die Zukunft einer weitgehend zerstörten Erde. Jetzt haben wir noch die Zeit, das Verhängnis abzuwenden (Ursula Poznanski: Cryptos. Roman. Loewe Verlag, Bindlach 2020. 448 Seiten. 19,95 €. Ab 14 Jahren).

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