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Heldin Albirea (Guylaine Hemmer) wuchs unter Tieren auf.

© Jörg Metzner

Fantasy-Heldenreise „Albirea“: Das Musiktheater Atze zeigt seine bislang größte Produktion

Als bildmächtiges Mythenspektakel erzählt „Albirea“ von den inneren Kämpfen des Menschen. Die Inszenierung formuliert eine eindringliche Botschaft über Respekt.

Die Welt ist aus dem Gleichgewicht. Früher, da sorgten drei große Geister für Balance. Auriga verlieh den Menschen einen Lebensstern, der sie bei ihrem Streben nach Glück leitete. Draco dagegen säte die Streitlust in ihnen. Und Albireo sorgte für den Ausgleich, hielt die guten und die schlechten Seiten in der Waage. Insgesamt hat das funktioniert, im Rahmen des Menschenmöglichen eben.

Nur leider ist es dem finsteren Draco gelungen, die Oberhand zu gewinnen und immer mehr Ergebene auf seine Seite zu ziehen. Die müssen ihm Gefolgschaft geloben und dürfen keine kritischen Fragen stellen. Bei Blitz und Donner verboten ist das Wort „Warum“. Wer Kinder hat, wird das nachvollziehen können, aber natürlich wünscht man sich mündige Bürger, die nicht einem Typen nachlaufen, über den es im Lied heißt: „Draco schützt, was andere schmerzt, was er nicht mag, wird ausgemerzt.“

An diesem Punkt setzt die Heldenreise ein, von der das Musiktheater Atze in „Albirea“ erzählt. Das Fantasy-Singspiel ist mit 22-köpfigem Ensemble aus Schauspielern und Musikern die größte Produktion, die das Haus sich je geleistet hat – und der Aufwand lohnt sich. Theaterleiter Thomas Sutter, der „Albirea“ geschrieben und inszeniert hat, bringt ein bildmächtiges, klangstarkes Mythen-Spektakel mit humanistischer Message auf die Bühne. Dessen Story ist zwar genregemäß passagenweise etwas wirr geraten. Aber doch spannend genug, um Zuschauer ab 10 Jahren zu fesseln.

Im retrofuturistischen Bühnenbild (Jochen G. Hochfeld), das mittelalterliche Holzbauten mit Videolandschaften des Künstlers Marc Jungreithmeier vereint, tritt die junge Albirea (Guylaine Hemmer) auf den Plan. Die ist bei den Tieren aufgewachsen und zeichnet sich aus durch „die Unversehrtheit der Seele eines Neugeborenen und den Mut einer Jugendlichen“.

Will heißen: sie hat sich noch nicht von Draco vereinnahmen lassen und ist deshalb prädestiniert dafür, den Menschen die „Quelle der Weisheit“ zurück zu bringen. Die braucht’s, um das Gleichgewicht der Geister wieder herzustellen.

[Wieder am: 30.10., 7.-9.11.]

Streitlust ist nichts Schlechtes

Albirea freundet sich mit Elnath (David Ford) an, einem Jungen aus dem Dorf der „letzten Aufrechten“, der allerdings in eine Falle Dracos tappt (von Iljá Pletner schön sinister als Verführer am E-Bass gespielt). Elnath lässt sich dazu hinreißen, einen Wald in Brand zu stecken, was auf der Videoleinwand ziemlich imposant aussieht, den Dörfler jedoch sein Herz kostet und somit auf die dunkle Seite zieht. Albirea muss nun allein das finale Rätsel lösen, das ihr den Zugang zur Quelle der Weisheit gewährt.

Die Komponistin und musikalische Leiterin Sinem Altan treibt die Geschichte am E-Piano mit Kammerorchester im Rücken voran. Harte Rhythmen wechseln mit sphärischen Soundscapes, rockige Songs treffen auf leise Harmonien. In der Konfrontation zwischen Albirea und Draco erklingt Beethovens Rasumowsky-Quartett, was auf die Abgründe hinter allem Kultivierten verweist.

Insgesamt ist Sutter hier eine unterhaltsame Allegorie auf die inneren Kämpfe des Menschen geglückt. Schließlich steckt in jedem ein bisschen Draco. Und Streitlust ist per se nichts Schlechtes, solange sie nicht zerstörerisch wirkt. Da gilt es die Balance zu finden, keine Frage. Und die Moral von der Geschicht’? Ist sehr eindringlich formuliert. Und ziemlich aktuell. „Das Wort des anderen hat genau so viel Gewicht wie dein eigenes.“

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