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Fantasy-Filmfest: In der Vampir-WG

Mehr als Zombies und blutrünstiges Gemetzel: Beim 28. Berliner Fantasy-Filmfest sind auch Blockbuster-Stars wie Scarlett Johansson und Robert Pattinson auf der Leinwand zu erleben.

Wer Australien nur aus dem Kino kennt, der assoziiert diesen Kontinent mit staubigen Landstraßen und verfallenen Hütten. Australien ist, warum auch immer, der bevorzugte Schauplatz für postapokalyptische Geschichten. Insofern bietet David Michôds „The Rover“ (27. und 30.8.) kaum Neues. Im Eröffnungsfilm des 28. Fantasy-Filmfests rasen wie gehabt wortkarge Männer mit klapprigen Autos durch die Gegend und ballern herum. Ungewöhnlich ist nur der Beweggrund des Protagonisten Eric (Guy Pearce): Drei Typen haben sein Auto gestohlen, und obwohl genügend andere herumstehen, will er unbedingt dieses eine zurückhaben. Warum, das soll hier nicht verraten werden. Die Auflösung aber ist herzerweichend.

Um sein Auto zurückzubekommen, geht Eric über Leichen, und den schwerverletzten Rey (Robert Pattinson) pflegt er nur deshalb gesund, weil er der Bruder eines der Autodiebe ist und dessen Versteck kennt. Ein Road Movie also, zwei gegensätzliche Männer, die sich in der Not zusammenraufen. Aus der Zweckgemeinschaft wird tiefe Zuneigung. Der leicht debile Rey begreift, wie schlecht ihn sein Bruder immer behandelt hat und findet in Eric einen väterlichen Freund.

Robert Pattinson hat sich für die Rolle eine gebeugte Körperhaltung zugelegt und die Zähne schwarz anmalen lassen. Er kämpft mit seinen Sätzen und duckt sich manchmal so, als würde er Schläge erwarten. Diese Rollenkonzeption hätte leicht misslingen können. Vielleicht ist es gerade die fehlende Ausbildung, die Pattinsons Spiel so anrührend macht. Seine Naivität wirkt absolut authentisch. Einen Kinostart erhält dieser starke Film mit seinem verstörenden Soundtrack und auffallend vielen dicken alten Männern in Unterhosen leider nicht: Ab 31.10. kommt er als DVD und Blue-ray auf den Markt.

Dasselbe Schicksal steht Jonathan Glazers „Under the Skin“ (1. und 3. 9.) bevor, trotz Scarlett Johansson in der Hauptrolle. Eine Frau allein unterwegs im Kleinbus, aufdringliche Männer, die von ihr umgebracht werden, Thelma ohne Louise. Doch Glazer macht daraus einen einzigen Verfremdungseffekt: Gedreht wurde mit versteckten Kameras.

Scarlett Johansson ist durch Glasgow gefahren, hat Männer angesprochen, und die sollen nichts gemerkt haben? Muss so gewesen sein, denn Glazer hat genügend Material zusammenbekommen, das von den Hereingelegten abgesegnet wurde. Einer von ihnen hat ein entstelltes Gesicht. Das ist keine Gummimaske, sondern eine Krankheit namens Neurofibromatosis, und der Mann wusste vorher, auf was er sich einlässt. Da es sich bei der Protagonistin um einen Alien handelt, hat sie keine Vorstellungen von Schönheit und Hässlichkeit. Unbefangen fragt sie: „Wann hattest du zuletzt eine Freundin?“ Da muss man als Zuschauer tief durchatmen. „Under the Skin“ hat einen deutschen Verleih gefunden, Senator Film, doch dem fehlt im Augenblick das Geld fürs Marketing.

Bei aller Wertschätzung für künstlerische Experimente sehnt sich der Fantasy- Filmfest-Besucher auch nach deftiger Kost. Alexandre Bustillo und Julien Maury haben ihren Untoten-Horror „Among the Living“ (5. 9.) gewaltig und gewalttätig überladen. Die unvergessene Béatrice „Betty Blue“ Dalle erbleicht gleich in der ersten Szene grandios blutrünstig. Sie hinterlässt einen Witwer und einen Sohn, und diese beiden brauchen einen Ersatz. Den beschaffen sie sich mit rabiaten Mitteln. Was diesen Film so schwer erträglich macht – aber das will er ja auch sein –, ist die totale Ungerechtigkeit beim Abschlachten. Bustillo und Maury verstoßen gegen alle Regeln des Horrorkinos, nach denen die Opfer selbst schuld sind. Hier trifft es gerade die Unschuldigsten.

Dasselbe Motiv haben die Neuseeländer Jemaine Clement und Taika Waititi zu einer skurrilen Komödie verarbeitet: „What We Do in the Shadows“ (31. 8.) schildert den Alltag in einer Vampir- und Zombie-WG, mit den üblichen WG-Problemen. Keiner fühlt sich für den Abwasch zuständig. Und keiner will den Boden aufwischen, obwohl es besonders viel aufzuwischen gibt. Ausgerechnet dieser schräge kleine Film startet am 30.10. unter dem Titel „5 Zimmer Küche Sarg“. Denjenigen, die das immer noch zu konventionell finden, sei „Man on High Heels“ (2. 9.) empfohlen. Der Südkoreaner Jin Jang erzählt die Geschichte eines Profikillers, dem eine Geschlechtsumwandlung bevorsteht. Da kann man nur hoffen, dass den Ärzten kein Kunstfehler unterläuft.

27. 8. bis 7. 9. im CineStar und CinemaxX. Infos: www.fantasyfilmfest.com

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