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Bilder, die Grenzen überwinden. Szene mit Atilla Akinci und Gizem Akman.

© Jerun Vahle

„Expo Festival“ im English Theatre: Flucht aus den Klischees

Meine Geschichte und ich: „Please, Repeat After Me“ beim „Expo Festival“ der internationalen freien Szene im English Theatre.

Von der Decke hängen Plastikplanen, dahinter bewegen sich verschwommene Gestalten zu sphärischen Klängen. Ab und an tritt eine Person aus dem Plastikplanendschungel hervor und sagt monoton immer wieder dieselben Sätze wie „Ich weiß nicht, wohin ich als Nächstes gehe“ oder „Das bin ich und mein Pass“. Es ist der etwas langatmige Beginn von Ziad Adwans Stück „Please, Repeat After Me“, das im Rahmen des „Expo Festivals“ seine Berliner Premiere im English Theatre hat. Doch was so wenig vielversprechend angefangen hat, wird schnell zu einem aberwitzigen Spiel mit Identitäten und Rollenzuschreibungen, das den Zuschauer atemlos zurücklässt. Mit einer vorgetäuschten Technikpanne beginnt das Stück im Stück. Bald stellt sich die Frage: Ist das noch die Bühnenfigur, die hier spricht? Oder schon der Schauspieler? Und ist der Schauspieler am Ende auch nur eine Bühnenfigur?

Um ihre eigenen Erfahrungen gehe es hier, hat der syrische Autor und Regisseur Ziad Adwan am Anfang des Abends verkündet. Die Schauspielerinnen und Schauspieler seines sechsköpfigen Ensembles kommen aus Syrien und der Türkei. Er selbst hat nach einem Studium der Theaterwissenschaften an der Londoner Royal Academy of Dramatic Art verschiedene Theater in Syrien geleitet. 2013 musste er das Land aus politischen Gründen verlassen und lebt seit 2014 in Berlin. Auf meisterhafte Weise spielen er und sein Ensemble (Atilla Akinci, Gizem Akman, Shadi Ali, Hussein Al Shatheli, Selin Kavak, Enad Marouf) an diesem Abend nun mit den Erwartungen des europäischen Bildungsbürgertums an die künstlerische Bearbeitung von Flucht und Migration und den dabei allgegenwärtigen Stereotypen. Das ursprüngliche Stück fällt immer weiter auseinander, die Schauspieler treten als Personen aus ihren Rollen heraus, Chaos bricht auf der Bühne aus. Bei all dem geht es um die Frage der Deutungshoheit: Wer entscheidet, wessen Geschichte erzählt wird, von wem und wie?

Mehr Tanzperformances als bisher

Hussein Al Shatheli, der Teil des Exil Ensembles des Gorki war, führt den Zuschauern in der Rolle des europäischen Managers des Ensembles und selbsterklärten Nahostexperten unerbittlich ihre eigene Sensationsgier und Distanzlosigkeit vor. „Sie haben immer Lust, ihre Geschichten zu erzählen“, sagt er über die geflüchteten Schauspielerinnen und Schauspieler. „Und sie haben die besten Geschichten.“ Ein Theaterabend über Flucht, das verspreche Drama pur: Verfolgung, Mord, Folter, Familientragödien. Am besten vorgetragen von den Betroffenen selbst. Adwan und seinem Ensemble gelingt mit „Please, Repeat After Me“ nicht nur eine äußerst kluge und bissige Auseinandersetzung mit Klischees, sondern auch eine hinreißend komische Persiflage auf die Theaterwelt.

Bereits zum siebten Mal versammelt das „Expo Festival“ die internationale freie Szene Berlins im English Theatre. Über 70 Wahlberlinerinnen und Wahlberliner aus 32 Heimatländern sind mit zwölf Produktionen vertreten. Zum ersten Mal lag die Stückauswahl dabei nicht allein in den Händen von Festivalgründer und Producing Artistic Director des English Theatre, Daniel Brunet. Um die Diversität noch besser repräsentieren zu können, sind auch die Choreografin Olivia Hyunsin Kim und der Theaterregisseur Shlomo Lieberman Teil des diesjährigen Kuratorenteams. Beide haben in den vergangenen Jahren mit eigenen Inszenierungen am Festival teilgenommen.

Die Bemühungen fruchten, so gibt es in diesem Jahr wesentlich mehr Tanzperformances als bisher. Noch bis Samstag können sich Interessierte im English Theatre ein Bild davon machen. Auf dem Programm steht unter anderem die deutsch-israelisch-brasilianische Produktion „Boxes“ am heutigen Donnerstag, die mit den Mitteln des visuellen Theaters gesellschaftliche Einengungen thematisiert. Den Abschluss des Festivals bildet am Samstag die Tanzperformance „Foreign Body_Trio“ der südkoreanischen Choreografin Howool Baek über Körpernormen und Fremdheitserfahrungen.

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