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So sehen Sieger aus. Moses (Christian Bale).

© Fox

"Exodus" - das Sandalen-Movie von Ridley Scott: Der Bibelfilm zu Weihnachten!

Seit "Gladiator" gilt Ridley Scott als Experte für den modernen Monumentalfilm. Nun bebildert er in „Exodus“ den Auszug der Juden aus Ägypten – natürlich in 3D. Und mit viel Spaß an den biblischen Plagen.

Die zehn Plagen hat der Rezensent zwar nicht mitgezählt bei der Pressevorführung vor Wochen von „Exodus“, wohl aber heftig mitgekritzelt. Und siehe da, Ridley Scott hat sie getreulich abgehakt, sogar in der vorgegebenen Reihenfolge. Also: Verwandlung aller Gewässer in Blut. Frösche. Stechmücken. Stechfliegen. Viehpest. Blattern. Hagel. Heuschrecken. Finsternis. Und, weil der Gott des Alten Testaments nun mal gegenüber den Ägyptern kein Erbarmen kennt, Tötung jeglicher Erstgeburt. Wow!

Tatsächlich ist das computergenerierte Kino, das aus einer Stechmücke zwar nicht gleich einen Elefanten, wohl aber zehntausend Stechmücken machen kann, im postmodernen Sandalenfilm geradezu glückhaft in seinem Element – in Tateinheit mit dem zwar nicht mehr ganz frischen, mitunter aber überwältigende Resultate zeitigenden 3-D-Revival. Wen es hier angesichts all der Schrecknisse, mit denen Gott die Ägypter zur Freilassung der Kinder Israels aus der Sklaverei und hinein ins Gelobte Land zu überzeugen sucht, nicht wenigstens augenblicksweise gruselt, der ist fürs Gruseln im Kino, zumindest für seine Monumentalvariante, wohl für immer verloren.

Der kapitale Schnitzer von Ridley Scott

Andererseits gehören Zuschauer von Literatur-, gar von Bestsellerverfilmungen bekanntlich zu den Empfindlichsten, was die Faktentreue zumindest gegenüber der Vorlage angeht. Und da leistet sich Sandalenfilm-Profi Scott („Gladiator“, 2000) dann doch einen kapitalen Schnitzer. In der belletristischen Vorlage, dem zweiten Buch Mose, Kapitel 14, ist der Showdown des „Durchzugs durchs Schilfmeer“ eindeutig ausgepinselt. Der Herr sagt zu Mose: „Recke deine Hand über das Meer und teile es mittendurch.“ Folglich gehen „die Kinder Israel mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken“.

Von einer Mauer fehlt in „Exodus“ jede Spur. Stattdessen pustet ein flotter Wind, als müsse der Wechsel von Flut zu Ebbe mal eben im Zeitraffer abgebildet werden; und schon durchqueren die Juden das Rote Meer wie durch eine weite, allenfalls durch Priele konturierte Wüste, in ihrer Ödnis kaum anders als die Landschaft zuvor bei ihrer Flucht aus den Siedlungen am Nil. Nirgends jene beeindruckende Schlucht zwischen beiseite gehaltenen Wasserwänden, wie sie die Bibel suggeriert. Zur düsteren Begrüßung und folgenden Fatalverschlingung der nachdrängenden ägyptischen Streitmacht rollt dann zwar eine Riesenwelle heran; derlei Wassergebirge aber hat der Katastrophenfilmkenner spätestens seit Wolfgang Petersens „Der Sturm“ (2000) weitaus beeindruckender gesehen.

Mit anderen Worten: Die elfte Plage – sollte sie der gemeine Wattwurm sein?

Spätestens an dieser Stelle dürfte die sandalenfilmwissenschaftliche Wasserschlacht darüber anheben, wer die bislang gültigste Bewegtbebilderung dieses alttestamentarischen Mythos hervorgebracht hat – Cecil B. DeMille oder Cecil B. DeMille? Tatsächlich hat der amerikanische Monumentalfilmer die zehn Gebote, beide Male unter diesem Titel, zwei Mal auf die Leinwand gebracht: 1956 mit Charlton Heston als Moses – und bereits 1923, wobei originale Bibelverse als Stummfilm-Zwischentitel das hochdramatische Strandgetümmel unterbrachen. Stets aber wölbten sich die Wellenmassen, wie von einer unterirdischen Transzendentalturbine angetrieben, überirdisch seit- und himmelwärts, und zwischen ihnen fanden die Flüchtenden trockenen Fußes ans rettende Ufer.

Kontrahenten: Chirstian Bale und Joel Edgerton

Der Rest der immerhin 150 Minuten von „Exodus“, deren Länge mitunter geradezu physisch spürbar wird, ist vergleichsweise schnell erzählt. Sehr ausführlich ist die gesamte fluchtvorbereitende Exposition geraten, mit Moses als zunächst tapferem Krieger, der wegen der Rettung des Pharaosohnes Ramses in einer frühen Schlacht bald bei Hofe hohes Ansehen genießt. Christian Bale, eher blässlich, und Joel Edgerton, mit eher grobem Lidstrich orientalisiert, geben die sich später entzweienden Waffenbrüder, während John Turturro und Sigourney Weaver als Herrscherpaar und Ben Kingsley als weiser jüdischer Obersklave eher schlanke Auftritte haben. Leider kommt dabei die Handlung in den luftigen pharaonischen Hallen immer wieder zum nahezu statuarischen Stillstand auf Tigerfellen. Sofern nicht – bei Erörterung etwa von Staatsgeheimnissen – das reichhaltig herumstehende Gefolge wiederholt umständlich aus dem Saal gebeten werden muss.

Schluss nun aber mit dem Gekrittele und Gekritzele, es weihnachtet sehr! Also: Wer sich bis zu den zehn Plagen plagt, hat garantiert sein schauriges Vergnügen. Zweitens ist, auch in den Menschenmassenszenen, oft Atemberaubendes zu sehen, etwa als – zwischen nicht besonders digitalisiert anmutenden abrutschenden Bergwänden – die ägyptischen Mannen auf rossgezogenen Kampfwagen den Juden hinterherzupreschen suchen. Und drittens ist ein Sandalenfilm in erster, zweiter und dritter Linie ein Sandalenfilm, dem man analytisch, ob gestiefelt oder gespornt, ohnehin nur bedingt zu Leibe rücken mag.

Viertens ist da noch die Bibel. Passt doch. Und echt spannend ist der Wälzer übrigens auch.

Ab 25. Dezember in 18 Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony Center, OmU in der Kulturbrauerei

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