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Im Branitzer Schloss in Cottbus decken Besucher selbst eine festliche Tafel. Tipps gibt eine Etikette-Expertin.

© SFPM

Europäisches Kulturerbejahr 2018: Anno Dazumahl: Schlösser und Gärten laden „Zu Tisch!“

Ein Projekt zeigt, wie kulinarische Traditionen unser Kulturerbe prägen. Gäste können tafeln wie in alten Zeiten – und etwas lernen.

Hühnersuppe, Rinderbraten und Lammpastete, Taube mit Krebsen, Braunschweiger Wurst, Aal blau und grüne Erbsen, dazu Obst, Napfkuchen und Aniskonfekt. Noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts bogen sich die Tafeln der preußischen Könige unter diesen Köstlichkeiten. Denn serviert wurde à la française: Sämtliche Speisen, ob süß, ob salzig, kamen gleichzeitig auf den Tisch; die Gäste bedienten sich selbst. „Alles war vollgestellt, man musste umständlich über die Tafel langen und das Essen wurde kalt.“ Tina Jakob-Schlossarczyk vom Schlossmanagement der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) kennt sich aus mit alten Tischsitten. Erleichterung brachte der Servierstil à la russe: Emsige Bedienstete trugen fortan alle Gänge hübsch nacheinander auf.

„Zu Tisch!“ heißt das Projekt, mit dem sich die SPSG gemeinsam mit dem Verein Schlösser und Gärten Deutschland am Kulturerbejahr beteiligt. Auf europäischer Ebene ist es eingebunden in die Aktion „A Place at the Royal Table“ der Association des Résidences Royales (ARRE), einem europäischen Schlössernetzwerk mit Sitz in Frankreich. „Kulinarische Traditionen sind ein wichtiger Teil unseres Kulturerbes“, sagt Gabriele Horn, Stiftungskonservatorin der SPSG. „Essen bringt die Menschen zusammen, heute wie damals.“ Schon immer seien Köche durch Europa gereist, seien Gerichte und Tischsitten ausgetauscht worden – bei Hofe, aber auch im Alltag.

Speisen auf Reisen

Dass in den Schlössern des Nordens schon im 15. Jahrhundert Orangen serviert wurden, ist ein Beispiel für Speisen auf Reisen. „Sie kamen aus dem Süden, später züchtete man sie selbst in Orangerien“, erzählt Andrea Hahn, die das Projekt „Zu Tisch!“ für den Verein Schlösser und Gärten koordiniert. 114 deutsche Schlösser – vom kleinen Privatanwesen bis zum bekannten Sanssouci – sowie Burgen, Klöster und Gärten gehören zu den Mitgliedern. Für das Kulturerbejahr haben sie ein einladendes Menü komponiert. „Es gibt Führungen durch Weinkeller und Silberkammern, Krimidinner oder Workshops zum Brotbacken“, nennt Andrea Hahn nur einige der vielen Aktionen bis zum Jahresende. In Hüfingen im Schwarzwald können Besucher im römischen Badehaus tafeln wie zu Cäsars Zeiten (6. Juli, 20 Uhr). Oder auf Burg Wäscherschloss auf der Schwäbischen Alp einen Blick in den Hexenkessel werfen und Kräutersalz herstellen (9. und 23. August, jeweils 13 Uhr).

Wer nicht so weit reisen mag, schaut sich um auf Schloss Sanssouci. Dort führt Hofkoch Tamanti durch Küche, Weinkeller und Nutzgarten und plaudert „Preußisches Küchengeschwätz“ aus (etwa am 15. Juli, 11 Uhr). Auf der Pfaueninsel wird für Friedrich Wilhelm III. Butter gestampft (19. August, ab 11 Uhr). Und vom „Schmatzen, Schlürfen und Knochenwerfen“ künden die Schauspieler des Galli-Theaters im Jagdschloss Grunewald (17. November, 15 Uhr). Das komplette Programm steht im Internet (siehe unten, Infos am Telefon: 07144/13 00 810).

Ein Porzellangedeck mit Geschichte

Persönliche Geschichten erzählt die Ausstellung „Tischlein deck dich“, die noch bis 31. Oktober in den Römischen Bädern im Park Sanssouci zu sehen ist. „Wir haben die Menschen aufgerufen, uns Dinge zu bringen, die sie mit Tischkultur verbinden“, sagt Projektleiterin Tina Jakob-Schlossarczyk. Viele kamen. Und brachten Sammlerstücke wie die bauchige „Eggbottle“, in die Jacob Schweppe – der Erfinder des Sodawassers – sein prickelndes Getränk abfüllte, damit die Kohlensäure nicht entwich. Oder Erbstücke wie das chinesische Teeservice, das zu DDR-Zeiten so wertvoll war, dass im Tausch dafür ein Trabi geboten wurde. Besonders rührt Tina Jakob aber die Geschichte eines Porzellangedecks mit feinem lila Blumendekor, das die Besitzerin von ihrer Oma erbte. Eine jüdische Familie gab es dieser mit der Bitte, es zu verwahren. „Wie es weiterging mit den deportierten jüdischen Familien wissen wir alle“, schreibt die Potsdamerin zu ihrer Leihgabe. „Wir halten dieses Geschirr in Ehren und erzählen immer wieder seine Geschichte.“

Ins Gespräch kommen sollen auch die Besucher des „Europäischen Picknicks“ am 23. Juni ab 17 Uhr im Park Sans- souci. „Unterhalb der Orangerieterrassen werden wir eine 270 Meter lange Tafel decken“, sagt Tina Jakob. Jeder ist willkommen; Essen und Trinken bringt man mit. Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci steuern höfische Tafel- und Weltmusik bei. Auch in anderen deutschen und europäischen Städten treffen sich an diesem Tag die Menschen an fein gedeckten Tafeln oder auf bunten Decken und teilen ihr Picknick. Wunderbar passend zum Motto des EU-Kulturerbejahres: „Sharing Heritage“ – Erbe teilen.

Mehr Im Internet: sgd-zu-tisch.de, spsg.de/aktuelles/ausstellung/tischlein-deck-dich, spsg.de/aktuelles/veranstaltung/koeniglich-tafeln

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