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Gut gelaunt. Das European Union Youth Orchestra beim Young Euro Classic Festival

© Mutesouvenir / Kai Bienert

EU-Jugendorchester bei Young Euro Classic: Eine wilde Gemeinschaft

Freude an der Freiheit: Das EU-Jugendorchester zeigt bei Young Euro Classic einen Zusammenhalt, wie man ihn sich auf politischer Ebene nur wünschen kann.

Vor zwei Jahren stand das European Union Youth Orchestra, Stammgast des Festivals Young Euro Classic von der ersten Stunde an, vor dem Aus. Dem 1976 von Claudio Abbado gegründeten Ensemble sollte die finanzielle Unterstützung durch die EU gestrichen werden. Nach lautstarken Protesten seitens der Kulturszene und einem Machtwort von Jean- Claude Juncker entschied man sich dann zwar doch dafür, das Orchester zu behalten. Aber die nächste europäische Katastrophe folgte sogleich. Mit dem Brexit musste das seit seiner Gründung in London residierende Orchester eine neue Heimat finden. Mit Rom war zwar schnell Ersatz gefunden, nun ist aber seit diesem Sommer eine italienische Regierung an der Macht, die nicht gerade dafür bekannt ist, für die europäische Idee zu brennen.

So ist das EU-Jugendorchester ein Abbild der vielfältigen Probleme, die Europa gerade quälen. Am Dienstag im Konzerthaus zeigen die 120 Musikerinnen und Musiker aus allen 28 EU-Ländern aber einen Zusammenhalt, wie man ihn sich auf politischer Ebene nur wünschen kann. In einer Ecke der Bühne stehen die Flaggen der verschiedenen Mitgliedsländer, die Musikerinnen tragen aber ein blaues Band mit den Sternen Europas an der Schulter, die Musiker blaue Fliegen mit Sternenmuster.

Ein Feuerwerk an verschiedenen Eindrücken

Musikalisch geht es an diesem Abend gen Osten, zwei polnische und eine russische Komposition stehen auf dem Programm. Den Beginn macht die Polin Agata Zubel, Jahrgang 1978, mit der deutschen Erstaufführung ihres Stücks „Fireworks“. Ihre Freude am Leben und an der Freiheit möchte die Komponistin darin musikalisch ausdrücken. Und wirklich: Die Musik kippt vor lauter Überschwang ständig um. Über wilde Rhythmen der unzähligen Percussionsinstrumente tanzen die Streicher in kreischenden Glissandi, dazu gesellen sich Querflötenläufe, die an den Soundtrack von Super Mario erinnern. Den Titel kann man also durchaus wörtlich verstehen, ein Feuerwerk verschiedenster Eindrücke prasselt auf den Zuhörer ein.

Konservativ, fast schon emotionslos

Dieser erfrischend fröhlich-komische Anfang verpufft leider fast völlig beim folgenden Klavierkonzert Nr. 2 von Frédéric Chopin. Der Komponist war erst 19 Jahre alt, als er das Stück schrieb – ideal für ein Jugendorchester, könnte man meinen. Doch trotz weit ausholender Armbewegungen kann Dirigent Gianandrea Noseda dem Orchester wenig Leben einhauchen. Die technische Brillanz der Musiker kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier erschreckend konservativ und fast schon emotionslos zugeht. Auch das Klavierspiel des Koreaners und Wahl-Berliners Seong-Jin Cho murmelt zu oft verträumt vor sich hin, erst im Allegro kann er gute Akzente setzen.

Besser wird es nach der Pause mit Pjotr Tschaikowskis 5. Sinfonie. Nach dem blutlosen Chopin ist das Orchester kaum wieder zu erkennen, hier ist endlich echte Freude an der Musik zu sehen und vor allem zu hören. Immer lauter, schneller, wilder spielen die jungen Musiker und lassen es zum Finale nochmal richtig knallen. Europa lebt noch, zumindest in Gestalt dieses Orchesters.

Elias Pietsch

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