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Mach's kurz. Lydia Davis. Und ihre Katze. Undatierte Aufnahme.

© Theo Cote/Droschl/dpa

„Es ist, wie’s ist“ von Lydia Davis: Die Kurzgeschichte als unendliche Spielwiese des Alltags

Lydia Davis ist eine Meisterin der Kurzform. Auch ihr neuer Band erzählt von Gott und der Welt. Manchmal bizarr, oft lässig, aber immer unnachahmlich.

Das Geheimnis der Erzählungen von Lydia Davis: Man kann sie nicht auf einen Nenner bringen, weder formal noch inhaltlich. Mal sind sie ein paar Seiten lang, dann wieder nur wenige Zeilen. Es geht um Gott und die Welt, um alles und nichts. Sie besitzen eine lässige Unnahbarkeit, manchmal eine melancholische Färbung und oft eine gewisse Kühle, als müssten sie etwas verbergen.

„Break it Down“ war der Titel einer im Original 1986 erschienenen Sammlung von Geschichten; „Es ist, wie's ist“ heißt nun der Band mit diesen frühen Erzählungen von Davis – ihre späteren Bände sind alle längst übersetzt.

Die US-amerikanische Autorin hat zwar auch einen Roman veröffentlicht; ihre Kunst aber liegt in der kurzen Form. Klaus Hoffer hat sämtliche Bücher von ihr ins Deutsche gebracht, auch „Es ist, wie's ist“ – keine so leichte Aufgabe. Denn die Einfachheit der Sprache sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass immer mit doppelten Böden zu rechnen ist.

Die Titelgeschichte ist ein kleines Wunder an Konzentration, eine abgründige Reflexion über den Schmerz, der entsteht, wenn man sich zu sehr auf einen anderen Menschen einlässt und das Risiko dieser Begegnung nicht mehr kalkulierbar ist.

Eine Wehmut, die schon da ist, bevor etwas endet. Der radikale Kassensturz des Erzähler-Ichs am Anfang der Geschichte, die Frage nach den Kosten des Glücks, die buchhalterische Bilanz von ökonomischem Aufwand und erwirtschafteter Lust bringt es auf den absurden Punkt: „Es ist, wie's ist.“ Man investiert eben in seine Verletzbarkeit.

Davis setzt sich keck über alle Regeln hinweg

Lydia Davis erzählt also von dem, was einem im Alltag zustoßen kann. Das mag gewöhnlich sein. Oder bizarr. Aber es ist stets von großer suggestiver Kraft. Sie berichtet uns von Mrs. Orlandos finsterer Welt, von einer Frau, deren Ängste ihr Dasein bis ins Detail bestimmen.

Sie fantasiert davon, wie der Autor W.H. Auden eine schlaflose Nacht im Haus eines Freundes verbringt. Oder sie schildert eine Episode aus der Biografie eines ganz heutigen Mr. Burdoff, der das wohlstrukturierte 18. Jahrhundert schätzt, in Deutschland einen Sprachkurs absolviert, sich in eine üppige Norwegerin verliebt, von dieser in den Gefühlsüberschwang des 19. Jahrhunderts eingeführt wird, um am Ende schwach und allein mit dem Zug wieder abzureisen.

[Lydia Davis: Es ist, wie's ist. Stories. Aus dem Amerikanischen von Klaus Hoffer. Literaturverlag Droschl, Graz 2020. 172 Seiten, 22 €.]

Manchmal sind Davis' Texte wie Prosa gewordene Gedichte von William Carlos Williams, manchmal wie Stories von Raymond Carver, mal spielen sie mit der Groteske, mal mit dem Unheimlichen.

Die Kurzgeschichte ist für Lydia Davis eine unendliche Spielwiese. Mit „Es ist, wie's ist“ erlebt man eine Erzählerin, die sich ausprobiert, die alle Regeln kennt, sich aber keck über sie hinwegsetzt. In diesen frühen Stories hebt sie an zu einer Meisterschaft, die ihre späteren Werke auszeichnen wird.

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