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Soundtüftler. Der Künstler und Architekt Cevdet Erek.

© Mathiasa Voelzke

Es grummelt, hallt und zischt: Künstler macht Pergamonaltar zur Klanginstallation

Cevdet Erek hat den türkischen Pavillon in Venedig bespielt und die Documenta beschallt. Nun hat er den Pergamonaltar nachgebaut - als Klanginstallation.

Von Markus Lücker

Cevdet Erek glaubt an den Klang. Es ist ja auch nicht mehr viel übrig, woran der in Istanbul lebende Künstler sonst noch glauben könnte. Götter, Medien, Bilder? Und weil Erek auch die Allgemeinheit an seinem Glauben teilhaben lassen möchte, hat er einen Altar aus Lautsprechern errichtet.

Im Museum für Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof steht aktuell seine Audionstallation „Bergama Stereo“ – ein Nachbau des Pergamonaltars samt Gigantenfries im Maßstab 1:2. Das Original auf der Museumsinsel ist auf Grund von Renovierungsarbeiten momentan nicht zugänglich.

Anhand von 34 Tonkanäle interpretiert Erek die auf dem Fries abgebildete Schlacht zwischen den olympischen Göttern und den aufbegehrenden Giganten als begehbare Klanglandschaft neu. Aufgezeichnete Stimmen grummeln aus den Boxen in einer Endlosschleife vor sich hin. Der Sound von Trommeln und zischenden Becken schallt aus der fast vollständig schwarzen Altarkonstruktion in die große Haupthalle des Museums.

Zielgerichtet breiten sich die Töne aus und bilden so akustische Inseln, die sich erst beim Abschreiten des Raumes offenbaren. Reflektionen und geschickte Klangausrichtung lassen Töne scheinbar aus den Wänden kommen, andere verschwinden nach wenigen Metern wie hinter einer unsichtbaren Barriere.

Es ist nicht das Erste Mal, dass der studierte Architekturexperte und Toningenieur die Wirkung von Raum und Klang kombiniert. Für die Documenta 13 beschallte er ein verlassenes Warenhaus, auf Venedig Biennale 2017 schuf er eine Soundarchitektur für den türkischen Pavillon – irgendwo zwischen Gefängnis und antikem Amphitheater. Parallel spielt er als Drummer für die Metal-Band Nekropsi.

Metal-Musik ist es dann auch mit der sich die Wirkung von „Bergama Stereo“ am ehesten vergleichen lässt. Den Aufstand der Giganten soll nicht verstanden oder genossen werden. Vielmehr soll dieses Sinnbild für das Ringen zwischen Ordnung und Chaos in seiner Wucht gespürt werden.

Wo vom Originalfries nur die Eleganz verblasster Gesteinsfragmente übrig sind, betont der Erek das Archaische. Bei ihm dürfen die Götter noch Götter sein. Es wird erahnbar, wie der Pergamonaltar einst gewirkt haben muss, als diese Kultstätte noch an der Westküste der Türkei stand – ehe sie verfiel und schließlich von kulturellem Geltungsdrang angetrieben Stück für Stück nach Deutschland gebracht wurde.

Der Titel der Installation kann dabei als ironischer Kommentar verstanden werden. Bergama lautet der türkische Name jener Region, in der der Altar einst stand. „Stereos“ ist Altgriechisch für „fest“ oder „starr“. Doch ist Erek nicht einfach trauernder Nostalgiker.

Die Götter und ihre Tempel mögen an Wirkmacht eingebüßt haben, die Kraft des Klangs hat neue Kultstätten gefunden. So bedient sich die Arbeit neben Zitaten aus dem Metal auch an der Ikonographie der Clubszene. Die Lautsprecher sind Teil einer Funktion-One-Anlage, wie sie unter anderem im Electro-Tempel Berghain zu finden ist.    

In den kommenden Monaten soll „Bergama Stereo“ immer wieder durch musikalische Performances ergänzt werden. Zur Auftaktveranstaltung am Freitag wird Künstler die Klanglandschaft live remixen. Dazu kommt verfremdetes Trommelspiel auf der Davul, einer zweifelligen Zylindertrommel, die als Vorläufer der Bass Drum gilt.

Begleitet wird er von den Musikern Saba Arat und Gökhan Deneç. Schon bei der Ruhrtriennale traten die zusammen auf, wo die Installation in der Bochumer Jahrhunderthalle gezeigt wurde. Weitere Performances sollen zwischen Januar und März 2020 folgen. 

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