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Kultur: Eruptionen eines Zen-Meisters

Günther Hornig war in der DDR ein Geheimtipp. Die Galerie Läkemäker hat den einflussreichen Maler neu entdeckt

Der Blick aus dem Fenster macht schlagartig klar, wie aktuell dieser Altmeister ist. Psychedelische Farbexplosionen auf den neuen Bildern von Günther Hornig, der vor wenigen Wochen seinen 70. Geburtstag gefeiert hat. Und vis-à-vis der neuen Räume der Galerie Läkemäker von Johannes Zielke eine Sporthalle, auf deren Wand Street-Art-Aktivisten ihre Tags gesprayt haben. Im Vergleich wirken Hornigs Leinwände frischer, unangestrengter, aber auch provozierender als die Graffitis auf der anderen Straßenseite.

Wäre es nicht anmaßend, einen Künstler von siebzig Jahren so zu etikettieren, müsste man Günther Hornigs Ausstellung „Raum-Energien“ als Geheimtipp bezeichnen. Ein Gradmesser für Jüngere ist er auf jeden Fall. Franz Ackermanns fantastische Farbräume: gegenüber Hornig beinahe blass. Thomas Scheibitz’ knallbuntgeometrische Skulpturen: undenkbar ohne den Älteren, der in Dresden Professor war, als Scheibitz dort studierte. Mit den Arbeiten, die Scheibitz 2005 im Deutschen Pavillon der Biennale von Venedig ausgestellt hat, können Hornigs fast zwei Jahrzehnte zuvor entstandene, von der Wand in den Raum wuchernde Objekte locker mithalten.

Hornigs Biografie liest sich für einen aus der DDR stammenden und zu Mauerfall-Zeiten über 50-jährigen Künstler symptomatisch. Geboren 1937 in Bitterfeld, lebt und arbeitet er seit einem halben Jahrhundert in Dresden. In den Westen wollte er nicht, obwohl sein Werk vor der Wende nur Eingeweihten ein Begriff war. Nach Anfängen als Theatermaler und Bühnenbildassistent in Halle und Potsdam studierte er in Dresden, wo Gerhard Richter zu seinen Kommilitonen gehörte, und kehrte danach zumindest als Hochschullehrer zum Bühnenbild zurück.

Unter den Bedingungen des realsozialistischen Kunstbetriebs war die Lehrtätigkeit für Bühnenbild an der Dresdner Kunsthochschule ein Freiraum: Mit seinen Studenten erprobte Hornig schon früh performative Kunstformen. Erhard Monden, der künstlerische Aktionspartner von Joseph Beuys in der DDR, und die „Autoperforationsartisten“ Else Gabriel, Via Lewandowsky, Micha Brendel und Rainer Görß sind durch Hornigs Schule gegangen. Keine Einbahnstraße, wie Hornig findet: „Unser Zusammenspiel war ein absolutes Miteinander. Ich habe viel von ihnen profitiert.“

Hornig selbst hat sich nie so weit exponiert wie seine ehemaligen Studenten. Eine Alters- und Temperamentfrage: Der Künstler, der mittlerweile die Gelassenheit eines Zen-Meisters ausstrahlt, feilt seit Mitte der siebziger Jahre konsequent an seinen Bildern, Reliefs und Skulpturen. Das Neue ergab sich bei ihm folgerichtig aus dem Vorausgegangenen – obwohl Hornig auch vor spielerischen Ab- und Umleitungen vom Königsweg seiner Kunst nicht halt gemacht hat.

Auch die fünf mittelformatigen, zwischen 1991 und 2000 entstandenen Gemälde, die Johannes Zielke nun zeigt (6600 – 12 800 Euro), bauen auf Collagen und Materialbildern der siebziger und achtziger Jahre auf – und stehen doch für eine durch und durch zeitgenössische Malerei. Sie wirkt zugleich räumlich und flächig, Vorder- und Hintergrund als gleichwertige Bildelemente überlagern sich nicht, sondern durchdringen einander. Hornig nennt das „Proportionalität massendynamischer Energien“. Gebrochene geometrische Formen gehen in organischen Verschlingungen auf, und umgekehrt. Mit der gleichen traumwandlerischen Sicherheit kombiniert Hornig unmögliche Farbstellungen wie Rosa zu Schwefelgelb, Braun zu Türkis. Das Ergebnis ist eine höhere Form fordernder Harmonie: anstrengend und animierend gleichzeitig.

Hornigs Raffinesse in der Fläche ist das Ergebnis jahrzehntelanger Beschäftigung mit Raum und Materie. Diese Findungsphase ab Mitte der siebziger Jahre dokumentiert Zielke, der Hornig seit 1990 schon viermal ausgestellt hat, mit einigen typischen Arbeiten, darunter ein frühes amorphes Materialbild mit zementüberspritzten Schnüren (15 000 Euro) und ein paar Mitte der achtziger Jahre entstandenen Reliefs, auf denen sich farbige Pappstreifen zu Ordnungssystemen am Rande der Chaostheorie schichten (ab 10 800 Euro). Er wolle „Malerei einsehbar machen“, erklärt der Künstler dazu.

Ganz Hornig – und dabei eine wunderbare Entdeckung – sind die ebenfalls um 1985 entstandenen energetischen Collagen aus Buntpapierstreifen (je 4500 Euro). Hier wird ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen konstruktiv-konkreten Dresdner Altmeistern wie Hermann Glöckner oder Karl-Heinz Adler deutlich: Hornigs Humor. Denn bei allem Furor, mit dem Hornig der Frage nachgeht, was ein Bild im Innersten zusammenhält, hat seine Kunst nie ihre Leichtigkeit verloren.

Galerie Läkemäker, Schwedter Straße 17; bis 21. April, Donnerstag bis Sonnabend 14-18 Uhr.

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