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Rotes Flattern. 1972 malte Weil den „Strand“ – ein Motiv, das mehr an ein Inferno denn an eine Idylle am Wasser denken lässt.

© Galerie Kremers

Ernst Weil in der Galerie Kremers: Legendärer Professor, gescheiterter Maler

An der Nürnberger Kunstakademie war Ernst Weil legendär, als Maler konnte er sich nicht behaupten. Ein neuer Blick auf sein spannendes Werk war überfällig.

Ob man gern das „beste Pferd im Stall“ genannt wird? Fraglich, doch immerhin zeigt das Lob des Malers Willi Geiger, was er von seinem Meisterschüler Ernst Weil hielt. Das war um 1949, Weil studierte in München an der Akademie, seine Kunst war in renommierten Galerien zu sehen, er selbst bereit für eine Karriere als freier Maler. Dann traf er ein paar falsche Entscheidungen.

Seine Einzelausstellung im Picasso-Museum in Antibes 1955 und die Gespräche mit Picasso überzeugten Weil von einem Umzug nach Paris. Das Angebot, als Gastprofessor in den USA zu lehren, lehnte er ab und zog in eine Sporthalle im Quartier Montparnasse: Wenn abends die Boxer kamen, räumte der Künstler sein temporäres Atelier zusammen, trainierte mit oder hielt Szenen der Kämpfe fest.

Dann erkrankte Weil, musste die Halle verlassen und verlor seine Bilder bei einem Brand. Überhaupt war es für einen nicht mehr ganz jungen Maler aus Deutschland schwierig, sich im Paris der Nachkriegszeit ohne echtes Netzwerk zu behaupten. Weil ging zurück, auch weil ihm die Nürnberger Kunstakademie 1965 eine Professur anbot.

Der Krieg – der Weil wertvolle Ausbildungszeit raubte –, die vergebliche Etablierung in Frankreich, sein Engagement für die Studenten, das ihm wenig Zeit zur Pflege der eigenen Prominenz ließ: Das alles spielt eine Rolle bei der Frage, weshalb Ernst Weil gegenwärtig so wenigen bekannt ist. Unterbrochene Karrieren gibt es nach 1919, Weils Geburtsjahr, viele – und zahlreiche Beispiele einer nachträglichen Korrektur und Aufnahme in den Kanon der Kunstgeschichte.

Ein individuelles, ausdrucksstarkes Werk

„Im Ring“ heißt nun die Ausstellung der Kreuzberger Galerie Kremers, die einen profunden Blick auf das Werk gewährt und eigene Einschätzungen erlaubt. Die ältesten Exponate stammen aus den 1950er-Jahren, in denen sowohl Picasso als auch Fernand Léger stilistische Spuren hinterlassen haben. Gemälde wie „Hobelbank“ (10 500 Euro) machen anschaulich, wie sehr sich Weil dem späten Kubismus und dem tektonischen Stil der französischen Avantgarde verbunden fühlte.

Die spätesten Bilder datieren auf 1981: Der Künstler, geschwächt nach einem Nervenzusammenbruch und zwei Herzinfarkten, starb am 1. September auf Gran Canaria. Sein Werk aus dieser Zeit ist düsterer, die Elemente der Kompositionen wirbeln durcheinander, das Wort „Bedrohung“ taucht mehrfach in Titeln auf. Weils seelischer Zustand spiegelt sich darin – andererseits offenbart sich hier ein individuelles, ausdrucksstarkes Werk.

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Typisch für ihn sind Motive, mit denen man Architektur und urbane Motive assoziiert, die sich nicht mehr zuordnen lassen. Manches erinnert an Schilder aus dem Straßenverkehr, Signale oder technisches Gerät: „Großer Kran“ (10 000 Euro), „Kleine Baustelle“ (unverkäuflich) oder auch „Maschinenteile“ (11 000 Euro).

Bilder wie diese belegen die Herkunft der von Weil ins Flächige, Abstrakte verfremdeten Elemente. Darüber legen sich feine, in Valeurs gemalte Wolken, die den Blick auf die Leinwand versperren – so als verschleiere sich das Bild.

Die Farbgebung, ihre Zusammenstellung ist oft gewagt. Aus dem Nachlass geht hervor, dass Weil an einer eigenen Farblehre gearbeitet hat, seine Gemälde scheinen damit zu experimentieren. Violett, Gelb, Ocker und Rot verbinden sich etwa in „Tropisch“ (21 500 Euro) von 1972 zu einem gewagten Vielklang, an den das Auge sich gewöhnen muss. Ob man es als Stillleben, (Industrie-)Landschaft oder Figurenbild begreift, ist ebenfalls eine Frage der Interpretation.

Weil legt sich nicht fest, spielt mit den Assoziationen wie im Fall von „Strand“ (22 500 Euro), das an Hitze, Horizont und Absperrband denken lässt. Er gehört keiner Schule an, er ist weder informell noch konkret, in Maßen figürlich und im Spätwerk bedingt expressiv. Exakt diese Uneindeutigkeit macht ihn bis heute spannend.
[Galerie Kremers, Schmiedehof 17; bis 23. Februar, Mo–Fr 11–18 Uhr]

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