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Verse müssen eine Zumutung sein. Christoph Meckel im Jahr 1974.

© Dietmar Bührer

Erinnerungen an Christoph Meckel: Ein Wort für ein ganzes Leben

Die Berliner Literaturzeitschrift "Park" erinnert mit einem Dossier an den unverwechselbaren Dichter und Grafiker Christoph Meckel. Eine Kolumne.

Von Gregor Dotzauer

Der Satz, mit dem er getrost hätte sterben können, hat ihn zu Lebzeiten nicht mehr erreicht. Aber wenn die Zeile „Ein Tag ist den Toten frei“ aus Hermann von Gilm zu Roseneggs Gedicht „Allerseelen“ zutreffen sollte, eine Zeile, an der auch Christoph Meckel ausdrücklich Gefallen fand, bekommt er ihn vielleicht doch noch zu Gesicht.

Meckel müsste an seinem freien Tag nur eine vertrauenswürdige Buchhandlung aufsuchen, die jüngste Ausgabe der Berliner Literaturzeitschrift „Park“ (Nr. 72, 107 Seiten, 8 €, park53@aol.com) erwerben, und er würde in dem ihm gewidmeten Erinnerungsdossier von Kollegen wie Jan Koneffke und Weggefährten wie Wulf Segebrecht erfahren: „Viele Wünsche meines jungen Ichs sind eigentlich nicht von mir, sondern von Christoph Meckel.“

Das Bekenntnis zeugt vom Sog eines Schreibens, das süchtig machen (allerdings auch Überdruss erzeugen) konnte. Was mehr könnte sich ein Schriftsteller wünschen, als einen solchen Abdruck zu hinterlassen. Das Erstaunlichste daran ist jedoch, dass es von Monika Rinck stammt, einer Dichterin, die am ganz anderen Ende des literarischen Spektrums zu Hause ist.

Fantast und Weltenanrufer

Ihrem abstraktionsverliebten Wesen nach würde man nie vermuten, dass sie dem manchmal geradezu kraftmeierisch sinnlichen Weltenanrufer, Fantasten und Mythenerfinder Meckel den Traum ihrer eigenen Künstlerexistenz verdankt. In einem Gedenkblatt berichtet sie, wie sie als 16-Jährige an gesammelten Erzählungen unter dem Titel „Ein roter Faden“ geriet - und von da an nicht mehr dieselbe war.

Rinck nimmt auch an einem von Uwe Kolbe moderierten Abend im Berliner Literaturforum teil, der am 26. August, ein gutes halbes Jahr, nachdem Meckel mit 84 Jahren in seiner Wahlheimat Freiburg starb, das Erscheinen von „Eine Tür aus Glas, ganz offen“ (Hanser), einem Band mit gesammelter Prosa, nachfeiern will.

Im Grunde seines Herzens war Meckel, dessen grafisches Werk, insbesondere „Die Weltkomödie“, gleichberechtigt neben dem schriftstellerischen steht, aber Dichter – mit jenem unerschütterlichen Glauben an die Magie des Buchstabens, die man in diesem Metier braucht.

Mit Meckels Augen schauen

„Der Mann ist ja einer, der hat das Wort auch gehört“, schreibt Uwe Kolbe in seinem „Park“-Epitaph: „Und deshalb ist, ihm und dem Wort zu folgen, an seinem Mund zu hängen und mit seinen Augen zu schauen, so ungemein fruchtbar. Dem Wort, das immer wieder gehört wird. In Günter Eichs Hörspiel ,Das Jahr Lazertis’ hört es einer, gesprochen von wem? Sicher ein anderes, aber das Wort. Eins fürs Leben reicht allemal.“

Der „Park“ erscheint seit seiner Gründung 1976 ein- bis zweimal pro Jahr, und obwohl sein Herausgeber, der Literaturwissenschaftler und Dichter Michael Speier inzwischen selbst nicht mehr der Jüngste ist, gilt sein Anspruch, „neue Literatur“ zu bieten, unverändert: Er wird in dieser Ausgabe unter anderem mit junger Lyrik aus Ungarn eingelöst.

Wobei Christoph Meckel bei aller Altersmelancholie, mit der er in einer hier dokumentierten Totenrede auf seinen Freund, den Unternehmer und Kulturmäzen Paul Ege, feststellt, „die Zeit, in der ich anfing, geht auf eine Endzeit zu“, zugleich von einer Art ewigen Jugend war. Michael Braun zitiert ihn mit Sätzen aus der „Nachricht für Baratynski“: „Was soll ein Vers, der keine Zumutung ist. Er ist eine Zumutung, oder er ist Parfüm.“ Als Maßstab lässt sich das schwer ersetzen.

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