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Auch die Unter-12-Jährigen können bald geimpft werden - das muss die Gesellschaft abwarten.

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Ende der Pandemie-Solidarität: Es gibt keine Normalität, bevor nicht die Kinder geimpft sind!

Nur noch wenige Monate, bis Impfstoff für die Jüngsten zugelassen ist. Solange muss die Gesellschaft noch warten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Sind sie das endlich, die erlösenden Nachrichten für viele Familien mit Kindern unter 12 Jahren? Im Laufe des August werde es für „alle Menschen in Deutschland“ ein Impfangebot geben, sagt Außenminister Heiko Maas (SPD). Er schlussfolgert laut Süddeutscher Zeitung, dann gebe es „rechtlich und politisch keine Rechtfertigung mehr für irgendeine Einschränkung“.

Welche Rechtfertigung könnte es nur sein? Die Belange von Millionen Kindern unter 12 Jahren, für die es nach wie vor und sicher auch im August keinen zugelassenen Impfstoff gibt, sind es also schon einmal nicht.

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Maas rechnet Kinder nicht einmal mehr in die Gruppe „aller“ Menschen in Deutschland hinein (vorerkrankte erwachsene Patient:innen, die sich nicht mit Impfungen schützen können, wohl auch nicht). Es ist gut, dass der Minister den Strategiewechsel in der Pandemiepolitik so kaltschnäuzig direkt benennt. Denn dieser Wechsel gehört dringend diskutiert.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, hat sich ähnlich geäußert, verschiedene Politiker:innen ebenso. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, geht noch weiter. Der „Schwäbischen Zeitung“ sagte er: „Ich frage mich, wie wichtig es tatsächlich ist, jedes symptomlos infizierte Kind durch Testung zu entdecken.“

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Damit wirft er einerseits eine rhetorische Nebelkerze, denn selbstverständlich ist es unmöglich, jedes symptomlose Kind zu entdecken. Andererseits wäre essentiell, so viele symptomlos infizierte Kinder wie nur möglich durch Testungen zu identifizieren – wenn, ja wenn Infektionsketten durchbrochen werden sollten. Mertens’ Äußerung markiert das endgültige Ende der Pandemie-Solidarität zwischen den Generationen.

Bei Kindern will man das Virus durchrauschen lassen

Es werden unweigerlich mehr Kinder infiziert, wenn das Virus unter den impfunwilligen Erwachsenen verstärkt zirkuliert, weil alle Einschränkungen aufgehoben werden. Das Virus kann dort, wo viele Kinder zusammenkommen, ungebremst durchrauschen, wenn auf Tests verzichtet wird.

Und den Menschen, die an vorderster Front die Pandemie bekämpfen sollten, ist das ganz offensichtlich nur noch egal. Sie verweisen darauf, das Virus sei für Jüngere nahezu ungefährlich, dabei ist noch unklar, wie viele Kinder langfristig wie stark beeinträchtigt sein werden – zumal wenn sich, wie absehbar, im Herbst und Winter sehr viele Kinder anstecken. Auch ein kleiner Prozentsatz ernsthafter Erkrankungen bedeutet dann sehr viele traurige Schicksale.

Mehr als ein Jahr lang hat die Gesellschaft Kindern und Jugendlichen massivste Einschränkungen zugemutet. Nun bleiben einige Monate, bis auch für Menschen unter 12 Jahren ein Impfstoff verfügbar ist. Und die Erwachsenenwelt bringt nicht mehr die Geduld auf, nun Solidarität in umgekehrter Richtung zu üben. Sie stellt nicht einmal Luftfilter in alle Kitaräume und Klassenzimmer.

Das könnte sich kurzfristig rächen, nämlich falls eine Virusvariante auftaucht, gegen die die bisherigen Impfungen nicht mehr wirken.

Es wird aber auch langfristig große Auswirkungen haben. Kinder bekommen schonungslos vorgeführt, wie unwichtig ihr Wohlergehen der Gesellschaft ist. Denselben Kindern soll in den kommenden Jahren, wenn sie zu Wahlbürger:innen heranreifen, vermittelt werden, dass unsere Gesellschaft nur als Solidargemeinschaft gut funktioniert. Viel Erfolg dabei.

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