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Der amerikanische Rapper Eminem.

© Danny Clinch

Eminem „Music To Be Murdered By“: Die Gewaltfantasien eines alternden Rappers

Schüsse, Sexismus und ein paar Lichtblicke: Eminem gibt sich auf seinem elften Album „Music To Be Murdered By“ als aggressiver Totengräber.

Tödliche Schüsse an einer Schule in Santa Fe. Schießerei bei einem Festival in Northern California, bisher drei Tote. Schießerei in einer Zeitungsredaktion in Annapolis. Dutzende übereinandergestapelte Fernseher zeigen diese Installation des alltäglichen US-amerikanischen Grauens. Die Geräte sind in der Form des Landes angeordnet.

Nach und nach werden die Nachrichtensendungen ausgeblendet und das Stars-&Stripes-Banner gezeigt. „When will this end?“ fragen große weiße Blockbuchstaben schließlich.

Im Kopf eines Massenmörders

Was aussieht wie das Video einer Organisation, die für schärfere Waffengesetze eintritt, ist das Finale von Eminems Clip zu seiner neuen Single „Darkness“. Der Rapper spielt darin die letzten Stunden im Leben von Stephen Paddock durch, der im Oktober 2017 aus einem Hotelfenster in Las Vegas das Feuer auf die Besucherinnen und Besucher eines Country-Musik-Festival eröffnete und 58 von ihnen tötete.

Diese von dynamischen Mid-Tempo-Beats unterlegte Rollenprosa adaptiert die erste Zeile des Simon-&-Garfunkel-Hits „Sounds of Silence“, die sich gesungen und von einem Klavier gespielt durch das ganze Stück zieht. Während der Massakerszene findet das Klavier endlich die nächsten Takte des Klassikers, was auf geradezu perfide Weise die erlösende Freude des Mörders spiegelt. Dessen andere – depressive – Seite beschreibt Eminem in der zentralen Hook-Zeile „I don’t wanna be alone in the darkness“.

Der Song beeindruckt durch seinen Detailreichtum und die bedrückende Atmosphäre. Es ist eines der besten Eminem-Stücke seit langer Zeit, und gern würde man es als ein starkes politisches Zeichen feiern – der Rapper fordert im Video auch noch dazu auf, sich zum Wählen registrieren zu lassen.

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Doch das ist unmöglich, wenn man den Rest des Albums hört, auf dem sich „Darkness“ befindet. Denn darauf wimmelt es nur so von Schüssen, Waffenklackern und Gewaltmetaphern, die keinerlei Raum für sozialkritische Interpretation zulassen. Besonders widerlich: In „Unaccommodating“ spielt Eminem auf den Selbstmordanschlag bei einem Konzert in Manchester an. Darin heißt es: „But I’m contemplating yelling ,Bombs away’ on the game/ Like I’m outside of an Ariana Grande concert waiting.“

Alfred Hitchcock hat das Album inspiriert

Schon der Titel des ohne Ankündigung veröffentlichten „Music To Be Murdered By“ – übernommen vom gleichnamigen Album Alfred Hitchcocks aus dem Jahr 1958, das hier teils gesampelt wurde – zeigt die Richtung an: Der auf dem Cover mit einer Schaufel abgebildete Eminem ist in Totengräber-Laune. Und er teilt mächtig aus. Wie schon auf dem Vorgänger „Kamikaze“ (2018) geht es vor allem gegen die junge Rapper-Generation und die Medien, denen er immer noch nicht verziehen hat, dass sie sein schwaches „Revival“-Album von 2017 verrissen haben.

Ed Sheeran als Gast, Dr. Dre als Produzent

Es ist lächerlich, wie der 47-Jährige ständig behauptet, immer noch der Größte zu sein. Diesen Titel hält jedoch derzeit unbestreitbar Kendrick Lamar, da kann Eminem noch so viele Highspeed-Passagen abfeuern, prahlen und mit Gaststars wie Ed Sheeran, Young M.A. oder Black Thought aufwarten. Dabei gelingen ihm auf der von Dr. Dre produzierten deutlich zu langen Platte durchaus einige hörenswerte Stücke wie das von einer spukigen Pieps-Orgel begleitete „Little Engine“ oder die Trap- Nummer „Lock it Up“ mit Anderson.Paak.

Überschattet werden diese Lichtblicke jedoch von Eminems notorischer Misogynie. Frauen spricht er fast durchgängig nur als „bitches“, „hoes“ und „bimbos“ an. Geht es um Liebe beschreibt er den dysfunktionalen Modus, den er jahrelang mit seiner Ex-Frau Kim hatte. Auch von MeToo scheint er noch nichts mitbekommen zu haben. So verkörpert er in „Those Kind Of Nights“ einen Typen, der im Club eine Frau belästigt. Schließlich macht er eine Bisexuelle an und kommt zu dem Fazit: „Opposites attract, I’m someone, you’re a no one/ I’m high and you’re bi, I’m comin’, you’re goin’.“ Solche Zeilen wären selbst für die meisten pickligen Nachwuchsrapper zu flach. Begraben kann Eminem damit höchstens sich selbst.
„Music To Be Murdered By“ erscheint bei Interscope/Universal.

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