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Pianistin Elisabeth Leonskaja

© Marco Borggreve

Elisabeth Leonskaja: Klaviermusik im Licht der Vernunft

Mit den Mitteln der Musik: die Pianistin Elisabeth Leonskaja mit einem rein russischen Abend im Konzerthaus.

Ein Einleger im Programmheft, mehr nicht: Niemand habe sich vor zwei Jahren, als diese Schostakowitsch-Hommage im Konzerthaus geplant wurde, vorstellen können, dass Russland einen Krieg in Europa entfacht, schreiben Intendant Sebastian Nordmann und Chefdirigent Christoph Eschenbach. „Doch das Undenkbare ist geschehen. Warum? Wozu?“ Zu gern wüsste man, was gerade Dmitri Schostakowitsch dazu sagen würde.

Die Künstlerin des Abends, Elisabeth Leonskaja, setzt sich umstandslos an den Flügel und beginnt sogleich mit Prokofjews fünf „Sarkasmen“, deren rustikal- grellen, meist in diabolisch hohen Lagen zu spielenden Spirit sie kongenial einfängt. Kein Wort zum Krieg, und warum auch – sollen sich jetzt alle russischstämmigen Musiker und Musikerinnen zu dem äußern, was Putin sinnlos verbricht? Von Leonskaja sind solche Statements noch weniger zu erwarten als von anderen. Die „Grande Dame“ der Klaviermusik, die im sowjetischen Georgien geboren und dort 2016 zur „Priesterin der Kunst“ ernannt wurde, spricht mit den Mitteln der Musik.

Irrlichtern in einsamen Höhen

In Schostakowitsch’ zweiter Klaviersonate h-Moll, geschrieben nach dem Tod seines Lehrers Leonid Nikolajew, formt sie den Hauptgedanken, der auf das Invasionsthema aus der Leningrader Sinfonie anspielt, plastisch heraus. Im trauerdurchtränkten Largo des zweiten Satzes irrlichtert die Rechte einsam in ebenfalls höchsten Höhen und scheint nicht zu wissen, wo sie hin will – während die Linke die Begleitung dazu tupft wie Tautropfen am Morgen.

Es wird tatsächlich ein rein russischer Abend, auch wenn sich Alfred Schnittke eher als Wolgadeutscher gesehen hat, der zwischen allen Stühlen saß. In einem siebenminütigen Stück meditiert er über die Möglichkeiten eines Akkords, der alle zwölf Töne der Oktave umfasst und den er gleich zu Beginn langsam aufbaut.

Zurück in die vermeintlich heile Melodienseligkeit des 19. Jahrhunderts geht’s schließlich mit Tschaikowskys „Grande Sonate“ op. 37, die er im Westen, am Genfer See geschrieben hat. Leonskaja ist keine Lyrikerin, sie buchstabiert die Töne aus, will nichts in romantischem Zwielicht verschleiern, sondern Vorhänge wegziehen, die Musik ins Helle, ins Licht der Vernunft rücken. Das tut sie resolut, bisweilen harsch, zornig. In von ihr brillant interpretierten Sechzehntelläufen eilt die Sonate ihrem Finale zu.

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