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Die Hamburger Musikerin Kuoko.

© Florian Thoß/Jewelry: Corrina Goutos

Elektro-Musikerin Kuoko: Bleib mir weg mit deinem Fieberblick

Die Hamburger Elektro-Musikerin Kuoko hat gerade ihr verträumtes und zugleich selbstbewusstes Debütalbum herausgebracht.

Gerade ist alles sehr aufregend für Kuoko. Ihr erstes Album ist erschienen, sie gibt Interviews, wird Konzerte spielen. Der perfekte Ausgleich in dieser trubeligen Zeit sei für sie Gaming, erzählt die Musikerin im Gespräch. Kurzausflüge in eine andere Welt. Ihr knapp 40-minütiges Debütalbum bezeichnet sie als Meilenstein. Die elf Songs fassen zusammen, was sie ausmache, sagt die Hamburgerin, deshalb habe es sich gut angefühlt, dem Album den eigenen Namen zu geben.

Über sich selbst oder gar Privateres redet sie eher ungern, lieber lässt sie das Album für sich sprechen. Ungewöhnlich in Zeiten, wo man über soziale Medien fast alles über jede:n herausfinden kann. Kuoko, die bürgerlich Jasmina Quach heißt, macht sich rar und lenkt die Aufmerksamkeit so auf ihre Musik. Das reiche aus, um ihre künstlerische Botschaft zu erfahren, findet sie. Schließlich hat sie fast alles an „Kuoko“ selbst gemacht, von den Texten über die Produktion und die kreative Konzeption bis hin zum Gesang. „Musikalisch bin ich der Boss“, sagt sie.

Kuoko findet das nicht weiter ungewöhnlich. Producing sei heutzutage eben auch nur am Laptop mit Software komponieren. Alles was sie dafür wissen musste, hat sie autodidaktisch mit Hilfe von Internettutorials gelernt. Bei Billie Eilish nennt man es Bedroom Pop, wenn sie zusammen mit ihrem Bruder Welthits im Kinderzimmer zusammenbaut. Mit dieser Produktionsweise hat Kuoko ein Album geschaffen, das rund und stimmig wirkt – und wie ein selbstbewusstes Statement. Der Pop ist schneller, mit mehr Elektro-Einflüssen und direkter als auf den EPs „Lost Woods“ und „Reality Check“. Kuoko selbst sagt, das Album ist „rougher“. Während Tracks wie „Seeker, Finder, Keeper“ 2018 noch ruhig und eher langsam daherkamen, sind jetzt mit „Perfect Girl“ und „Making Friends Is Easy“ mehr Upbeat-Nummern dabei, die sehr tanzbar sind. Psychedelisch-träumerischen klingen ihre Songs aber nach wie vor. Im Sommer hat Kuoko einige Konzerte, zum Beispiel beim Pop-Kultur Festival in Berlin gespielt, wo sich dieser Eindruck bestätigte. Das ganze Album wird sie erstmals am 27. Oktober im Club Molotow in Hamburg performen. Und performen ist bei Kuoko das richtige Wort, sie ist keinesfalls nur Sängerin, sondern Künstlerin mit einem ganzheitlichen Ansatz. Sie erdenkt Choreografien für ihre Videos, arbeitet mit Tänzerinnen zusammen, weiß ihre Musik visuell zu ergänzen.

Für die Videos holt die Sängerin sich Unterstützung beim queer-feministischen Kollektiv SEOI und arbeitet oft auch mit anderen Performerinnen zusammen. Wie beim überaus bunten und kreativ durchchoreografierten Video zu „Yellow Fever Gaze“, in dem Hana Hon und Hien Hoang an ihrer Seite tanzen.

Man merkt Kuoko an, dass sie durch und durch Künstlerin ist. Bei ihr geht es nicht darum, dass sie als Star im Mittelpunkt steht, sondern darum, etwas zu schaffen und kreativ zu sein. Dass dazu eben auch Organisatorisches, Mails und Social Media gehören, sei manchmal lästig, sagt sie. Aber so ist es eben ohne Management. Dafür arbeitet sie seit 2018 mit dem Label Kabul Fire Records zusammen und seit Kurzem auch mit einer Bookingagentur. Kuoko selbst verbringt ihre Zeit lieber mit Zeichnen, Nähen oder eben Musikmachen.

Die Songs auf „Kuoko“ sind nicht nur clubtauglich, sondern vielschichtig. Denn die Musikerin spricht auch ernste Themen an. In „Perfect Girl“ geht es etwa um die Erwartungen, die die Gesellschaft an Frauen hat. Dort singt Kuoko, dass sie niemals das perfekte Mädchen sein wird, weil sie zu sehr damit beschäftigt ist, den „shit“ loszuwerden, der ihr beigebracht wurde. Dass das nicht nur Phrasen und Wohlfühlfeminismus sind, versteht man, wenn man sich länger mit der Künstlerin beschäftigt.

In dem neuen Song „Yellow Fever Gaze“ geht es um antiasiatischen Rassismus, um die sexualisierten und exotisierenden Stereotype gegenüber asiatisch gelesenen Menschen, vor allem Frauen. „I’m not exotic, I’m just tired“, singt die Hamburgerin im quietschgelben Set des Musikvideos, „stay away with your yellow fever gaze, I’m not your fierce dragon lady nor your seductive little lotus blossom baby“. Mit diesen Stereotypen habe Kuoko selbst Erfahrungen gemacht, sagt sie, da sie als asiatisch und deshalb fremd wahrgenommen werde. Genauer will sie darauf aber nicht eingehen.

Kuoko schlägt auf dem Album auch ruhige Töne an. „Parallel“ ist herrlich verträumt und kann neben den lauteren Singles bestehen. Melancholisch singt sie: „We exist in parallel worlds, never quite in time, never synchronized“.

Ein versteckter Favorit von Kuoko ist das Stück „Strong Girls Don’t Cry“, eine Zusammenarbeit mit der Sängerin Douniah. Die beiden ergänzen sich gut – Kuokos Stimme ist höher, Douniahs tiefer – und inmitten der englischsprachigen Lyrics bringen die deutschen Zeilen des Gastes Frische rein. Kuoko betont wie wichtig Austausch wie dieser für sie ist. Sie brauche ihn, um weiter Musik zu schaffen – und die ist definitiv etwas, wovon man nach dem Debütalbum mehr will. Pia Benthin

„Kuoko“ ist bei Kabul Fire Records

erschienen.

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