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Nachdenkliche Avantgardistin. Fatima Al Qadiri, 35, ist in Katar aufgewachsen, hat in den USA studiert und lebt seit einem knappen Jahr in Berlin.

© Camille Blake

Elektro-Musikerin Fatima Al Qadiri: Sirenen und Stolpersteine

Fatima Al Qadiri macht abstrakte Elektro-Musik über politische Themen. Jetzt tritt sie beim Festival Pop-Kultur auf, das ab Mittwoch Neukölln stattfindet. Ein Treffen.

Sie betritt das Café in Mitte und ist gleich voll da. Statt Smalltalk will Fatima Al Qadiri sofort: Diskurs. Gar nicht mal so sehr über ihre Musik, sondern lieber über alles andere. Eine kritische, extrem reflektierte Gesprächspartnerin sitzt einem gegenüber, aber man hat auch gar nichts anderes erwartet.

Denn vor zwei Jahren wurde Fatima Al Qadiri mit ihrem Debütalbum „Asiatisch“ bekannt. Die Platte war eine kleine Sensation, ein schillernder Strauß von Um-die- Ecke-Gedachtem und hochgradig Verwirrendem. Auf dem Cover eine hyperreal wirkende asiatische Schönheit, dazu dieser Titel „Asiatisch“, tatsächlich in Deutsch.

Gleich das erste Stück ist eine Coverversion von Sinead O’Connors Hit „Nothing Compares To You“, gesungen in einem Mandarin, von dem man später erfährt, dass das gar kein Mandarin ist, sondern irgendein ausgedachtes Kauderwelsch. Und dann dieser Sound: windschiefes Billig-Software-Geklöppel, verschrobene Beatstrukturen, pseudoexotische Synthesizer-Miniaturen, sehr viel Hall, alles sehr effektiv und doch mit spartanischen Mitteln in Szene gesetzt. Ist das Grime? Ist das Dubstep? Was bitte ist das?

Ihr Ziel ist falsche Bilder zu dekonstruieren

Fatima Al Qadiri wurde im Senegal geboren, ist in Katar als Diplomatentochter aufgewachsen und später zum Kunststudium nach New York gezogen. Sie hat 16 Jahre in den USA gelebt und weiß, wie es sich anfühlt, wenn man durch kulturelle Zuschreibungen für andere zu einem Klischee wird. Diese Erfahrung hat sie zu „Asiatisch“ animiert, einem Werk, das zeigen soll, wie der Westen sich ein Bild von einer anderen Kultur macht, das mit der Realität nur wenig zu tun hat. Fatima Al Qadiri will diese Vorstellungen dekonstruieren, indem sie ein falsches Bild konstruiert, an dem man sich als Hörer dann abzuarbeiten hat. „Ich stelle Fragen in meiner Musik, ich gebe keine Antworten“, erklärt sie im Gespräch. Der deutsche Plattentitel, so sagt sie, sei da nur einer der Stolpersteine, die sie in ihre komplexe Platte, die fast schon wie ein Kunstwerk wirkt, eingebaut hat.

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Seit beinahe einem Jahr lebt die 35-jährige Produzentin nun in Berlin. „New York ist eine Yuppie-Stadt geworden“, sagt sie, „die Gentrifizierung ist überall spürbar.“ An dieser Stelle bekommt man von anderen Expats im Normalfall zu hören, wie fantastisch es dagegen in Berlin sei, wie niedrig die Mieten und all das. Nicht so von Fatima Al Qadiri: „Berlin ist nicht besser als andere Städte“, sagt sie, „in zehn Jahren wird sich kaum noch ein Künstler die Stadt leisten können.“ Und dann fügt sie noch hinzu: „Ich glaube, ich passe hier nicht hin.“ Da sei einmal die Sprachbarriere und außerdem sei es in Deutschland einfach zu deutsch. „Ich vermisse die ethnische Diversität New Yorks“, sagt sie, „die afroamerikanische Kultur, die dominikanische Kultur.“ Amerika sei eine Nation von Migranten und dafür liebe sie Amerika und dann sagt sie es noch einmal: „Ich liebe Amerika.“

Repression und Rassismus sind universelle Probleme

Sie scheint das so sehr betonen zu müssen, weil man beim Hören ihrer aktuellen Platte „Brute“ durchaus einen anderen Eindruck über ihr Verhältnis zu den USA bekommen könnte. Auf dem Album arbeitet sie viel mit Samples, man hört Reden von Polizisten, Sirenen ertönen, man wähnt sich in einem Albtraum-Amerika, in dem Präsident Donald Trump eine reale Vision geworden ist. Explizit werden Rassismus und Polizeigewalt thematisiert. Wie auf „Asiatisch“ geht es dabei letztlich auch wieder um Stereotype, dieses Mal um das des kriminellen Schwarzen. Das will Fatima Al Qadiri aber weniger als ein typisch amerikanisches Problem gedeutet wissen, sondern als ein universelles. „Ferguson“, sagt die Musikerin, bezogen auf die amerikanische Stadt in Missouri, in der es vor zwei Jahren nach dem Tod eines Schwarzen durch einen weißen Polizisten zu Unruhen kam, „ist nur ein Beispiel für Repression und Rassismus. Es kann auch hier passieren und es ist bereits hier passiert.“

Normalerweise drehen sich Musiker-Interviews um Musik. Wie diese produziert wurde, wer sie beeinflusst hat, solche Dinge. Mit Fatima Al Qadiri, die da mit ihrer getönten John-Lennon-Brille und ihrer burschikosen Seitenscheitelfrisur ihren Espresso trinkt, geht es um Politik, weil es damit letztendlich auch um ihre Musik geht. Das ist schon deswegen ungewöhnlich, weil die Produzentin, mal abgesehen vom angesprochenen „Nothing Compares To You“-Cover, allein mit Sounds und Samples, aber ohne Text arbeitet. Sie codiert Klänge zu Aussagen und erzeugt damit Narrative, was um einiges komplizierter ist, als mit ein paar Protestlyrics kundzutun, was einem nicht passt. Wenn schon Worte, dann würde sie lieber wirklich schreiben, sagt Al Qadiri. „Vielleicht eine Science-Fiction-Geschichte.“

Fatima Al Qadiri denkt ans Aufhören

Dass sie das nicht unbedingt kokett meint, wird klar, wenn sie davon erzählt, dass sie das mit der Musik nicht ewig machen wolle. Sie ist sowieso eher zufällig in diese Richtung gegangen, eigentlich ist sie Künstlerin, als Teil des arabischen Künstlerkollektivs GCC ist gerade eine Arbeit von ihr auf der Berlin-Biennale zu sehen. Nun aber denke sie ständig darüber nach, mit der Musik aufzuhören. Und zwar aus ökonomischen Gründen. „Entweder verkaufst du deine Musik an Netflix oder Hollywood, oder du verdienst nichts als Musikerin“, sagt sie. Schuld daran sei die Musikindustrie: „Ich will lieber, dass man meine Platten im Internet stiehlt, als damit Spotify reich zu machen und selbst kaum an den Erlösen durch das Streaming beteiligt zu werden.“

Geld verdient sie mit Live-Auftritten, sagt sie. Anders als so viele Elektronikproduzenten aus der avantgardistischen Ecke derzeit, hat sie sich dafür jedoch kein spezielles Set-up ausgedacht, mit dem sie eine Konzert-Atmosphäre simuliert. Stattdessen tritt sie als DJ auf, etwa beim Berliner Festival Pop-Kultur. Dabei lege sie nicht etwa Fatima-Al-Qadiri-Platten und Artverwandtes auf, falls es das überhaupt gibt, sondern einfach ihre Lieblingsmusik. Hip-Hop zum Beispiel. Ferguson, Rassismus und kulturelle Stereotypen sind dann weit weg. Bei all ihrem Drang zu politisieren, ein wandelndes Proseminar will Fatima Al Qadiri dann doch nicht sein. „Einfach Musik, die Spaß macht“, zu spielen, darum gehe es ihr bei ihren DJ-Sets. Urlaub von der Politik – für sie selbst und die Tanzenden.

Fatima Al Qadiri auf dem Pop-Kultur- Festival: 1. September, 18.30 Uhr, Talk mit Juliana Huxtable im Passage Kino. DJ-Set 0.40-1.40 Uhr im Schwuz Salon

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