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Christian Zacharias dirigierte Mozarts c-Moll-Klavierkonzert vom Flügel aus.

© Marc Vanappelghem/christian.zacharias.com

Elbphilharmonie: Ein Nachmittag unter Freunden

Sonntagsausflug nach Hamburg, zur Saisoneröffnung des Philharmonischen Staatsorchesters in der Elbphilharmonie.

Im ICE sitzt ein Vater mit zwei halbwüchsigen Töchtern, sie wollen das Schloss in Schwerin besichtigen, Sonntagsausflug einer Berliner Familie. Gute Idee, in der Hauptstadt laufen sie gerade Marathon, wir mussten gucken, dass wir noch rechtzeitig den Damm überqueren, um zum Bahnhof zu kommen. Unsereins will nach Hamburg, geht ja auch schnell mit der Bahn. An den Landungsbrücken navigieren die Ausflugsschiffe elegant umeinander herum, und während das „König der Löwen“-Boot zum Musicalufer übersetzt, steigt unsereins in die Fähre zur Elbphilharmonie, zum Saisonauftakt des Philharmonischen Staatsorchesters unter Leitung von Christian Zacharias.

Auf der Plaza, man sieht es schon von ferne, drängeln sich die Besucher. Die Aussichtsplattform der Elbphi erfreut sich auch an diesem goldenen Spätsommertag großer Beliebtheit. Nur an der Ostseite behindert ein Stahlgitter die Sicht – eine Schutzvorrichtung für die Fensterputzer, deren Leinen den Plaza-Gästen nicht ins Gesicht schlackern sollen. Drei Mal im Jahr baumeln die Fensterputzer an der gläsernen Fassade des im Januar 2017 Herzog-&-de-Meuron-Baus, ein inzwischen auch per Youtube-Video gewürdigtes, munter choreografiertes Ritual: Für den „Window Waltz“ der Elbphilharmonisten quietschen die Wischer der Reinigungskräfte im Takt von Johan Strauss' Donauwalzer über die gewölbten Scheiben.

Hier die Silhouette der Hansestadt mit ihren Kirch- und Rathaustürmen, dort das Hafengelände, drüben dümpelt ein Kreuzfahrtschiff hinter den Container-Kränen, ein weiteres liegt gleich neben der Speicherstadt. Herrliche Aussichten - in Berlin lässt sich nur schwerlich mit dem Boot zur Musik anreisen. Glückliches Hamburg, denkt sich die Hauptstädterin, so freundlich, so bürgerlich entspannt.

Mit Zacharias am Pult erzählt die Musik sich von selbst

Als im Saal, dieser XXL-Taucherglocke mit ihrer ja ebenfalls gläsernen Akustik, Haydn, Mozart und Schönberg erklingen, lauter Wiener Musik, leichtfüßig und expressiv, aber immer naturbelassen und garantiert unkompliziert unter dem Dirigat des 68-jährigen dirigierenden Pianisten, beginnt man unwillkürlich zu vergleichen. Ist die Musikstadt Berlin radikaler, lauter Neutöner gerade beim Musikfest, und Hamburg gediegen? Nun, so ein Nachmittagskonzert wäre auch an der Spree eher von der sonnigen Sorte.

Mit Christian Zacharias am Pult erzählt die Musik sich gleichsam von selbst. Kaum dass er gestaltend eingreift wie etwa beim Kopfthema des Menuetts in Haydns Sinfonie Nr. 91 Es-Dur mit seiner energischen Aufwärtsbewegung zu Beginn und dem verschattet-chromatischen Phrasenende. Wie immer geht kein Ton verloren im Elbphi-Saal mit seinen Korallenriff-Wänden, auch nicht von Zacharias’ hurtig-perlendem Anschlag bei Mozarts c-Moll-Klavierkonzert KV 491 und dem anmutigen Wechselspiel mit den Holzbläsern, allen voran der Solo-Oboe von Sachiko Uehara.

Bei Schönbergs 2. Kammersinfonie wünschte man sich allerdings mehr Klangraffinesse. Spätestens dann, wenn Solovioline, Flöte und gestopfte Trompete sich in Suchbewegungen ergehen und die Harmonien brüchig werden. Zacharias kittet sie lieber, an diesem heiteren hanseatischen Nachmittag unter Freunden.

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