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Die Oranienstraße in Kreuzberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Einseitige Kulturförderung: Gentrifizierung in Berlin, Weltrettung in L.A.

In Kreuzberg muss die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst um ihren Mietvertrag bangen. Der Eigentümer Nicolas Berggruen engagiert sich lieber in Los Angeles.

Zeitreise: 1969 flogen die ersten Menschen zum Mond, Willy Brandt wurde Bundeskanzler und in seiner Regierungserklärung verwendete er zwanzig Mal den Begriff „Gesellschaft“. So steht es jedenfalls in dem am Wochenende vorgestellten Jahresprogramm der ngbk, der „Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst“, deren Geschichte ebenfalls ins Mondlandejahr zurückgeht. 165 Leute trafen sich damals in einer Aula und gründeten einen basisdemokratischen Kunstverein. Sie fanden ganz zu Recht, dass die Kunstproduktion tunlichst nicht den staatlichen Organen überlassen bleiben sollte.

Die ngbk nutzt nun das Jubiläumsjahr, um Bilanz zu ziehen. Wozu braucht man in einer kulturverwöhnten Stadt wie Berlin noch einen Kunstverein? Und welche Themen sind bis heute relevant? Die ngbk ist bekannt dafür, dass sie sich in ihren Ausstellungen kritisch mit aktuellen Problemen beschäftigt. Stadtentwicklung, Wohnen, Leben und Mieten gehören seit jeher dazu. Und damit hat es sich eben noch nicht erledigt. Weil in Kreuzberg in der Oranienstraße, wo der Verein seit 1992 seinen Sitz hat, auch die Gentrifizierungsdiskurse nicht mehr helfen, hat die ngbk eine Art Zweigstelle in Hellersdorf gegründet. Sowieso finden viele der kommenden Ausstellungen außerhalb Kreuzbergs statt, etwa im Botanischen Museum in Lichterfelde.

Das mag auch damit zu tun haben, dass die ngbk selbst auf dem heißen Stuhl sitzt. Wenn 2022 der Mietvertrag für die Flächen in der Oranienstraße ausläuft, ist mit einer saftigen Mieterhöhung zu rechnen. Die Immobilie gehört Nicolas Berggruen, dem Sohn des Kunstmäzens Heinz Berggruen, der als Karstadt-Zertrümmerer bekannt ist und dafür, dass seine Firma Berggruen Holdings GmbH in schöner Regelmäßigkeit Berliner Kulturstandorten den Garaus macht. Wie der Bar Babette in der Karl-Marx-Allee oder der Willner Brauerei. Berlin ist halt nicht L.A. Dort hat der Milliardär einen Think Tank ins Leben gerufen. „Nahverkehr, Energie und bezahlbares Wohnen“ seien wichtige Themen, sagte er bei einer Veranstaltung im Sonnenstaat. Pah. Und dass sein Institut eng mit den dortigen „Communities“ zusammenarbeiten wolle. Autsch. Während Berggruen in Berlin nicht nur den Kunstverein um seine Räume bibbern lässt, rettet er in Los Angeles die Welt.

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