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Kultur: Eine Rolle, ein Leben

Überlebenskünstler, 1,67 Meter: zum 50. Todestag von Humphrey Bogart

Von seinem Leben müsste man reden. Und von seinen Filmen, den paar nur, die ihn für immer berühmt gemacht haben: „Die Spur des Falken“, „Casablanca“, „Haben und Nichthaben“, „Tote schlafen fest“ und „Gangster in Key Largo“. An einer Hand kann man sie abzählen, 1941 bis 1948, jedes zweite Jahr entsteht ein Klassiker. Immer in der Hauptrolle: der einsame Großstadtwolf, Hut tief in der Stirn, Hände im Trenchcoat vergraben, Zigarette im Mund, Whiskeyglas vor sich auf dem Tisch, Frauen machen ihm Angst. Frauen lieben ihn. Und er redet nicht viel, aber das mit tiefer, fast flüsternder Stimme: „Here’s looking at you, kid“ und „We’ll always have Paris“ und natürlich der „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“. Ein Mythos.

Über seine Liebe muss man sprechen, über die vierte, seine große, über den 44-jährigen Star mit langer Scheidungsakte, der sich 1944 bei den Dreharbeiten zu „Haben und Nichthaben“ Hals über Kopf in eine 19-jährige New Yorker Debütantin verliebt. Drei Wochen Drehzeit nur, und eine der schönsten Romanzen der Filmgeschichte beginnt. „Kid“ und „Baby“, nennt er sie, „Puppe“ ist daraus in der deutschen Synchronfassung geworden. Er wirft ihr das Feuerzeug zu, und man sieht ihre Hände zittern, und seine auch. Sie heiraten ein Jahr später, und bleiben zusammen, bis der Tod, sein Tod, sie zu früh scheidet. „Ich war elf Jahre glücklich“, sagt Lauren Bacall später. „Das reicht für ein Leben.“

Über sein politisches Engagement sollte man reden, das ihn gemeinsam mit Lauren Bacall und John Huston 1947 auf die Straße treibt, zum Marsch nach Washington, um gegen die Diskriminierung von Kommunisten in der McCarthy-Ära zu protestieren. Eine Frage des Muts, damals. Nicht wenige in Hollywood haben wegen Sympathien für die Linken keine Jobs, keine Rollen mehr bekommen. Viel später, zu Irakkriegszeiten, wird sich Hollywood wieder politisieren, protestieren die Schauspieler erneut, Schauspieler wie Dustin Hoffman, Tim Robbins und Susan Sarandon. Sie alle könnten Bogart als Vorbild nennen.

Aber vielleicht müsste man wieder vor allem über sein Aussehen reden. Über sein Gesicht, diese zwei tiefen, parallelen Stirnfalten, die ihn stets sorgenvoll dreinblicken lassen. Die gespaltene Lippe, an der immer eine Zigarette klebt. Den Blick, scharf beobachtend, die Augen zusammengekniffen unter buschigen Brauen. Das längliche Gesicht, ein gespaltenes Kinn. Keine MännerSchönheit, wie sie alle keine Schönheiten waren, die großen Stars des mittleren 20. Jahrhunderts in Hollywood, Cary Grant, James Stewart. Schön nicht, aber: ja, was? Männlich, heroisch, ein bisschen hölzern auch? Unzeitgemäße Begriffe heute, in einer Zeit, in der harte Männlichkeit längst kein Ideal mehr ist – zum Glück. Und doch ist Bogart ein Ideal geblieben, obwohl er klein war. 1,67 Meter, das ist nicht viel, wenn man den Helden spielen will und den harten Mann, den Einzelkämpfer und Überlebenskünstler. Mit 1,67 Meter muss man sich auf einen Hocker stellen, wenn man eine Filmpartnerin wie Ingrid Bergman küssen will. Man muss heimlich Plateauschuhe tragen, und die Kamera sollte von unten aufnehmen, das streckt die Gestalt. Lächerliche Hilfsmittel, er hätte sie nicht nötig gehabt. Lächerlich auch zu glauben, dass einer unattraktiv ist, nur weil er klein ist. Katharine Hepburn und Spencer Tracy, Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque, Humphrey Bogart und Lauren Bacall, die großen Paare der Filmgeschichte: immer kleiner Mann und große Frau. Paare, die man nicht vergisst. Lächerlich? Nein, das nun wirklich nicht.

Und zuletzt müsste man wohl auch von seinem Tod reden, am 50. Todestag. Es ist 1957, die Ärzte diagnostizieren Speiseröhrenkrebs, Endstadium, doch das Rauchen lässt er nicht, das Trinken auch nicht: „Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whiskey voraus sein.“ Und: „Ich hätte nie von Scotch auf Martini umsteigen sollen“, sein angeblich letzter Satz. Auf 36 Kilo abgemagert ist er zum Schluss, eine Operation war fehlgeschlagen. Ein hässliches Ende, Bestätigung für alle Anti-Raucher-Aktivisten, die im coolen, ketterauchenden Bogie schon immer einen Gegner ausgemacht hatten. Freunde besuchen ihn, zum Abschiednehmen. „Warum flüstert hier jeder? Ich habe Krebs! Um Gottes Willen, das ist doch keine Geschlechtskrankheit“, herrscht er sie an. Und bescheidet die Anfrage einer Klatschreporterin mit einem knappen: „Mir geht’s blendend“, zwei Wochen vor seinem Tod.

Sich nicht unterkriegen lassen, von nichts und niemandem, auch nicht vom Tod: Diese Rolle hat Humphrey De Forest Bogart in fast jedem Film gespielt – und in seinem Leben, bis zuletzt. Am 14. Januar 1957 stirbt er im Alter von 58 Jahren. „Es wird nie wieder einen wie ihn geben“, prophezeit John Huston an seinem Grab. Er hat recht behalten.

Christina Tilmann

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