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Messestand als Gesamtkunstwerk: Die Galerie Georg Kargl Fine Arts stellt Arbeiten der Künstlerin Jakob Lena Kebl aus.

© Kurt Prinz/SPARK Art Fair Vienna

Eine neue Kunstmesse in Wien: Wurzelwerke

Die neue Wiener Messe Spark hat das Potenzial, zu einer wichtigen Adresse für die europäischen Galerien zu werden.

Die Erde ist ein Krater, aus dem sich ein fratzenhaftes Wesen nach oben arbeitet. Das Bild selbst sieht aus, als habe Michael Horsky Surreales und Expressives durch den Mixer gejagt und anschließend auf seinen Leinwänden verteilt: Sie zeigen Figürliches, aber arg verzerrt.

Man bleibt an den Bildern hängen, die mit der Pariser Galerie Frank Elbaz nach Wien zur neuen Spark Art Fair Vienna in die historische Marx Halle gereist sind. Eine leidenschaftliche Malerei, eher ungewohnt nach all der spartanischen Post-Internet-Kunst der jüngeren Vergangenheit. Ihr Echo findet sie ein paar Stände weiter bei der Charim Galerie, wo Eva Beresin ihre ausdrucksstarken Porträts und Skulpturen ausbreitet. Was beide Künstler noch verbindet, obgleich der 1973 geborene Horsky fast zwei Jahrzehnte jünger ist: Sie haben Prag beziehungsweise Budapest früh verlassen und leben in der österreichischen Metropole.

Dreimal Wien, einmal Paris – das fällt schon auf. Die Spark wirkt ohnehin wie ein Klassentreffen. Von den knapp 60 teilnehmenden Galerien kommt ein Großteil aus dem eigenen Land, viele davon waren in den vergangenen Jahren auf der Viennacontemporary (VC) präsent, die in wenigen Wochen – noch dazu am selben Ort – ebenfalls stattfinden soll. Dass mit Renger van den Heuvel ein Profi aus dem ehemaligen VC-Team nun die Spark leitet, lässt eigentlich bloß einen Schluss zu: Das hier soll Wiens künftig wichtigste Messe für Kunst nach 1945 werden.

Dafür steht auch van den Heuvels kluges Konzept. Nach mehr als einem Jahrzehnt kennt der gebürtige Niederländer den Betrieb mit allen Fallstricken. Seine Reaktion: Jede Galerie bekommt einen gleich großen Stand zu moderaten Preisen, die schiere Größe eines Unternehmens bildet sich nun nicht mehr in den gewohnten Mega-Auftritten von doppelten oder dreifachen Standgrößen ab. Es ist auch bloß eine künstlerische Position erlaubt, auf die die Spark ihrerseits mit einer offenen Architektur reagiert: mehr Ausstellung denn Messe.

Wie Blütenblätter arrangieren sich jeweils vier Elemente um einen Stützpfeiler, öffnen sich und geben Blickachsen frei. Wer hier einfach Bild an Bild hängt, der bringt sich selbst um einen attraktiven Auftritt. Galerien wie Soda aus Bratislava oder Exile haben das sofort erkannt. Erstere inszeniert eine großartige Schau um die Collagen von Lucia Tavollá, in der sie Fotografien von Felsen und Wasser so knittert oder schneidet, das sie wie dreidimensionale Objekte wirken. Die Galerie Exile stellt glasierte Keramiken der Berliner Künstlerin Nschotschi Haslinger auf niedrige Sockel – was zu den „Wurzelzonen“ betitelten Monsterfüßen in extravaganten Schuhen vorzüglich passt. Sehenswert ist auch der Auftritt von Jakob Lena Knebel (Galerie Georg Kargl Fine Arts), die zusammen mit Ashley Hans Scheirl Österreich auf der Biennale von Venedig 2022 vertritt.

Tabus brechen, neue Formate erfinden

Die Galerie „Raum mit Licht“ ermöglicht Ernst Koslitsch und seinen wie aus Comics gesprungenen Gestalten einen großen Auftritt. Smolka Contemporary zeigt, wie vielseitig die 1991 geborene Künstlerin Kaja Clara Joo mit Materialien umgehen kann. Bei Martinetz aus Köln hat Sophia Süßmilch ihren Auftritt in Fotografien wie Videos, die ganz auf Körperlichkeit setzen und schon deshalb mit Tabus brechen, weil die Künstlerin sich einen Dreck um Schönheit schert. Die Galerie nächst St. Stephan überlässt Luisa Kasalicky den Platz für eine Kombination aus dreidimensionalen Objekten: Herzen, Schwerter oder Sarkophage, aus denen jeder Betrachter sein eigenes Narrativ entwickeln kann.

Auf der anderen Seite der Max Halle flankieren Künstler:innen wie Ingrid Wiener, Maria Lassnig (Galerie Ulysses), Joseph Beuys (Galerie Konzett), Walter Pichler (Galerie Elisabeth & Klaus Thomann) oder Ulay (König Galerie) das Programm. Es sind Werke von musealer Dimension, die erst einmal mit dem experimentellen Charakter der Spark brechen. Doch auch hier agiert van den Heuvel überaus geschickt. Die Mischung aus big names und Talenten, die es auf breiter Front zu entdecken gilt, sorgt für Relevanz auf dem hart umkämpften Kunstmarkt. Es ist ja nicht so, dass die Welt auf eine weitere Messe gewartet hat. Im Gegenteil: Schon vor Corona gab es Kritik am übervollen Eventkalender und den immer gleichen Konzepten: jede Menge Galerien, volle Stände, ein visuelles Überangebot.

[Spark Art Fair Vienna, Marx Halle, Karl-Farkas-Gasse 19, Wien; bis 27. Juni, www.spark-artfair.com]

Die Spark rechtfertigt ihre Auswahl mit drei namhaften Kurator:innen, die sich Gedanken zu Themen wie der Utopie der Nachkriegskunst oder den neuen Medien der Gegenwart gemacht haben. Daraus resultiert der Auftritt diverser Avantgarde-Künstler:innen der 60er- und 70er-Jahre, die wiederum für die nächste Generation wichtig sind. Ein kleiner Parcours durch die Kunstgeschichte, der von ambitionierten Experimentalfilm-Stationen begleitet wird.

Noch lässt sich wenig Belastbares zur Entwicklung der Spark sagen. Die Teilnehmer könnten durchaus internationaler werden, die Sammler ebenso. Noch herrscht Corona und resultiert daraus Zurückhaltung. Die Messe beweist um so mehr Mut, weil sie nicht wie alle anderen auf den Herbst setzt, sondern demonstrativ jezt stattfindet.

Im Ergebnis ist es ein überaus gelungener Auftritt, den van den Heuvel eine „Antwort auf die sich verändernden Bedingungen“ nennt. Dazu zählt die Rückbesinnung auf regionale Stärken ebenso wie die Überzeugung, dass sich auch mit frisch produzierten Arbeiten eine neugierige Sammlerschaft locken lässt – jenseits der auf den internationalen Märkten gehandelten blue chips. Die Spark jedenfalls ist so überzeugt von ihrer Zukunft, dass sie schon einmal die konkreten Termine für die nächsten drei Jahre herausgegeben hat.

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