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Hungrige Helden: Vor dem Kampf gegen Windmühlen gibt es Paella.

© Dorothea Tuch

Eine Don-Quijote-Performance: Riesen sehen

Sangria für alle! Die Performance-Gruppe Showcase Beat Le Mot zeigt ihre Erinnerungen an „Don Quijote“ im HAU.

Pure Vernunft darf niemals siegen. Das ist ja nicht nur der Titel eines Tocotronic-Songs. Sondern auch so was wie das heimliche Motto des 1605 veröffentlichten Romans „Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha“, dem zehn Jahre später ein zweiter Band folgen sollte. Miguel de Cervantes’ Ritter-Burleske – die aufgrund ihres voluminösen Umfangs bestimmt zu den einflussreichsten und bekanntesten ungelesenen Büchern der Welt zählt – siedelt im Grenzreich von Erkenntnis und Trugbild, von Wirklichkeit und Wahn. Wobei Cervantes schon wusste, dass gerade in letzterem Fall ein sehr enges Verwandtschaftsverhältnis besteht.

Klar, den Kampf des Titelhelden gegen die Windmühlen, die ihm als Riesen erscheinen, den kennt jedes Kind. Vielleicht auch noch das blutige Niedermetzeln der Rotweinschläuche. Und an der Diagnose gibt’s für die meisten nichts zu deuteln: Der Typ ist irre. Ein Loser von der traurigen Gestalt. Während sein Knecht Sancho Pansa die Torheiten seines Herrn mit der Gleichmut erträgt, mit der man heute auch auf Donald Trumps Twitteraccount schaut, zieht Don Quijote von Niederlage zu Demütigung. Aber ist das die Wahrheit? „Alle sehen die Riesen. Sie behaupten nur, es seien Windmühlen, um dich in den Wahnsinn zu treiben.“ Sagt Sancho Pansa in der Cervantes-Performances, die das verlässlich gute Kollektiv Showcase Beat Le Mot jetzt im HAU auf die Bühne bringt.

„Don Quijote / Donkey Shot / Done Quiche Hot / Don Conquista / Don E. Coyote“ haben die Künstlerinnen und Künstler den Abend überschrieben. Und sich selbst in die Rollen gebeamt, die im Kampf mit der verblassenden Erinnerung nicht mehr unterscheiden können, was real war, was ein Streich der Fantasie. Klar haben Showcase Beat Le Mot nicht den Anspruch, nur annähernd den Roman zu adaptieren. Was sie aufziehen, ist eine Reflexion über die Vergeblichkeit, durchpulst von den Beats des Musikers Albrecht Kunze, getragen von einer Atmosphäre relaxter Melancholie. Zwischendrin gibt’s Paella und Sangria für alle.

Rund um die Bühne haben die Performer Rollstühle gruppiert, es gibt auch einen Ritt ohne Ziel auf einer Rosinante mit Rädern. Vielleicht spielt dieser „Don Quijote“ im Alten- oder Demenzheim für Helden, die nie welche waren. Showcase Beat Le Mot lassen die Verweise quer schießen, zitieren den kolonialen Eroberer Christoph Columbus herbei („Ich weiß, dass es jeder könnte, aber ich werde es tun“), um ihn wieder auf der postkolonialen Resterampe für überlebte One-Hero- Storys zu entsorgen, sie setzen das Verhältnis von Quijote und Pansa als zärtlichen Tanz und alte Liebe aus Gewohnheit ins Bild und lassen sie über das Warten sinnieren, auf den nächsten „Abenteuer-Termin im Kalender“, auf die Mutter aller Schlachten, die nie kommen wird. Sehr schön. Dazwischen wird immer wieder am Verstand gezweifelt, weil das die Vernunft gebietet: „Bin ich denn der einzige, der die Riesen sieht?“ Patrick Wildermann

Wieder am 30.1. & 1.2., 19 Uhr, HAU 3

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