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Besucher der Frankfurter Buchmesse.

© dpa

Eindrücke aus Frankfurt: China und Hongkong sind auf der Buchmesse friedliche Nachbarn

Dass die Luft brennt, merkt man auf der Frankfurter Buchmesse nicht: China, Hongkong und Taiwan zelebrieren dort ein harmonisches Nebeneinander.

Von Gregor Dotzauer

Die Buchmesse ist ein globaler Miniaturenpark mit maßstabsgetreuen Übereinstimmungen und überraschenden Verzerrungen. Nachbarn in der großen weiten Welt rücken auseinander, neue finden zusammen, und bei manchen Konstellationen kann man beides gar nicht recht auseinanderhalten. In Halle 4.0 zeigt sich China geopolitisch in vertrauter Ordnung. Die Volksrepublik prunkt mit der weitaus größten Ausstellungsfläche und grenzt, einmal über den trennenden Gang gespuckt, unmittelbar an Hongkong. Zumindest nach Lumen, Lux und Watt ist der seiner Dachlosigkeit zum Trotz Pavillon genannte Stand das hellste Areal weit und breit.

Nicht das geringste Licht fällt auf die Tatsache, dass die Luft zwischen Peking und Hongkong gerade brennt. Auf den Büchertischen liegt im Gegensatz zu denen der Volksrepublik nicht ein einziges Buch mit politischem Inhalt. Stattdessen beherrschen Kinderbücher und Lernmaterialien die Szene, und an der Fassade prangen himmlische Versprechen. Hongkong, heißt es da, sei ein Ort „mit einzigartigem kulturellen Hintergrund“, positioniert am Zusammenfluss von östlichen und westlichen Kulturen: „Die Offenheit der Gesellschaft und die lebendigen gedanklichen Strömungen bringen Ideen aus verschiedenen Kulturen zusammen und beflügeln eine grenzenlose Kreativität.“

Großchinesisches Glück

Die Gesellschaft, die sich nachmittags zur Cocktailparty in eng bestuhlten, namentlich ausgeschilderten Stuhlreihen zusammenfindet, wirkt dagegen seltsam kleinmütig. Der unvergessliche Moment, der bei der Enthüllung des Standmottos „Exploring Hongkong“ vor einem Countdown beschworen wird, ist nur in Anbetracht der Rückkopplungen in den Lautsprechern eine quietschfidele Angelegenheit. Die Namensschilder der Gäste auf dem Counter sprechen eine eindeutige Sprache: Die festlandschinesische Delegation, unter ihr die stellvertretende Direktorin der Pekinger Generalverwaltung von Presse und Publikationen, sorgt freundlich lächelnd schon dafür, dass niemand in einer Anwandlung von Übermut Gesicht und Contenance verliert.

Hier brüstet sich nicht einmal jemand damit, dass man den kaum lösbaren Konflikt unter Kontrolle hat - er wird einfach totgeschwiegen. Dafür forciert „Reading China“, die Fotowand gegenüber, den Blick auf ein großchinesisches Glück, das seine besten Tage längst gesehen hat. In einer wahrscheinlich längst abgerissenen Hutong-Gasse der Pekinger Altstadt kickt ein Junge, und Internatsschüler aus dem Hochland von Tibet, das hier als autonome Provinz gerühmt wird, versammeln sich zum morgendlichen Vorlesen in trügerischem Frieden.

In angemessenem Sicherheitsabstand lädt Taiwan ein, gemessen an den Dimensionen des Inselstaats hoffnungslos überdimensioniert. Aber hier geht es ja nicht zuletzt um das schützende Meer außen herum. Was sich thematisch als Demonstration umweltpolitischer Verantwortung im Pazifik und im südchinesischen Meer geriert, lässt sich auch als Behauptung nationalstaatlicher Souveränität lesen. Einsam blickt der Wal- und Delfinforscher Hung-Chi Liao, ein Erzähler und Essayist aus der Hafenstadt Hualien, auf seinem Floß ins Ungewisse. Und Syaman Rapongan aus dem Volk der Tao, ein zeitgenössischer Klassiker der ozeanischen Literatur, rudert in einem weißen Kanu hinaus auf die See. Nirgends ein Boot aus fremden Gewässern.

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