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Leidenschaftlicher Cinephiler. Der 57-jährige Brite Ben Gibson.

© Stephan Rabold

Ein neuer Chef für die DFFB: „Genie ist das zufällige Ergebnis von handwerklichem Können“

Nach dem endlosen Krach: Was Ben Gibson, der neue Leiter der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, plant.

Der Kandidat der Studenten war er nicht. Als im vergangenen Jahr eine neue Findungskommission nach dem Verschleiß zweier Aspiranten auf den Posten des Direktors der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) einen weiteren Anlauf machte, stimmten nur vier ihrer sechs Mitglieder – drei des Kuratoriums der landeseigenen Filmschule und ein Dozentenvertreter – für Ben Gibson. Die beiden Studenten entschieden sich für zwei der insgesamt vier Mitbewerber.

Durchaus möglich aber – und mit vorsichtigem Optimismus sei hinzugefügt: vielleicht sogar wahrscheinlich –, dass Ben Gibson, der international renommierte Filmpädagoge mit reichhaltiger Erfahrung, die traditionell streitlustige Akademie im Sturm erobert. Erst am Sonntag ist der 57-jährige Brite mit seiner Familie definitiv in Berlin angekommen, um am 15. Februar sein zunächst auf fünf Jahre befristetes Arbeitsverhältnis anzutreten. Und der Auftritt, mit dem er sich am Montagabend den örtlichen Medien vorstellte, war dynamisch, charismatisch, konkret, pointiert und entschieden durchsetzungsfähig. Mit einem englischen Wort: powerful.

Die Power hat Gibson, schon institutionell, und Power braucht auch ein neuer Direktor, der die Akademie nach nunmehr sagenhaften anderthalb Jahren Vakanz zu leiten beginnt.

Zunächst aber will der Filmproduzent Gibson, der 14 Jahre Chef der London Film School war, bevor er zuletzt ein Intermezzo an der Australian Film Television and Radio School in Sydney gab, mit den DFFB-Studenten bei einigen wöchentlichen Treffen die Zukunft der Akademie skizzieren. Und am Ende dieser Begegnungen, so schwebt ihm vor, steht dann ein schlankes – „zehnzeiliges“ – gemeinsames Programm. Mündlich ist Ben Gibson, der als Außenseiter alle seine Konkurrenten im Bewerbungsverfahren, darunter Béla Tarr und Romuald Karmakar, ausgestochen hatte, bereits durchaus explizit. Er sieht sich als „leidenschaftlicher Cinephiler“, der die ganzheitliche, nicht nur die „überspezialisierte“ Kreativität seiner Studenten fördern will.

Nur so sei der richtige Rahmen für jenes „produktive Studio“ zu schaffen, das eine Filmakademie im besten Fall sei – Low-Budget-Produktionen hin oder her. Dabei hat Gibson, der in London 160 Übungsfilme pro Jahr betreute, für selbst ernannte Überflieger eine nüchterne Orientierungsdefinition parat. Genie, sagt er, sei das „zufällige Ergebnis“ von handwerklichem Können.

Eine Hauptsorge der Studenten, wonach das Kuratorium des Landes Berlin unter Leitung des Senatskanzleichefs Björn Böhning die DFFB in eine Art Kaderschmiede für die Filmindustrie umwandeln wolle, erledigt Gibson nebenbei. Er habe als Produzent „nie Mainstream gemacht“. Insgesamt setze er auf starkes, „nicht puritanisches“, aber am Realismus orientiertes Filmemachen, wobei die DFFB ihre entsprechende Tradition durchaus „noch internationaler“ verfolgen könne. Angesprochen wiederum auf gewisse basisdemokratische Traditionen der Berliner Filmschule, reagiert Gibson inhaltlich glasklar. „Ich bin kein ehemaliger Maoist“, sagt er, ohne sein verbindliches Lächeln abzulegen, „für eine Kulturrevolution bin ich nicht zu haben.“

Keine Frage, hier setzt jemand Zeichen, zwar durchaus gegen das Durchregieren, aber ebenso entschieden gegen die Unregierbarkeit, mit der die DFFB zuletzt vor allem Schlagzeilen machte. Für Alleingänge sei er nicht zu haben, bekräftigt er, aber: „Ich will auch nicht allen gefallen.“

Temperamentvoll also – einstweilen noch auf Englisch, das Deutsche will er jetzt flott in Angriff nehmen – stellt sich hier jemand vor, der die DFFB aus ihrem Tief herausholen soll und will. Und smart, im englischen Wortsinn. Und, vor allem, humorvoll. Sein neunjähriger Sohn, kaum in Sydney eingewöhnt, habe ihm bei der Nachricht über die Berufung nach Berlin streng verkündet: „Papa, danke dafür, dass du mein ganzes Leben ruinierst.“ Sieht nicht so aus, als ob mit dem bevorstehenden Dienstantritt des Briten in Berlin irgendjemand irgendjemandes Leben ruiniert. Unbequemer aber, im guten Sinne, wird’s mit Ben Gibson schon.

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