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Die Möllerei in Esch-Belval wird 2022 zum Kulturtreffpunkt.

© Beiler/Francois/Fritsch

Ein Blick auf Esch: Das ist die Europäische Kulturhauptstadt 2022

Die Auszeichnung geht an die 35 000-Einwohner-Gemeinde Esch in Luxemburg. Diese will Vielfalt und ein grenzenloses Europa feiern.

Wer sich für Musik interessiert, denkt beim Stichwort „Luxemburg“ vermutlich zuerst an Dorthes Schlager „Oh, pardon, sind Sie der Graf von Luxemburg?“, in dem die Sängerin 1968 vom „großen Mann von Welt“ schwärmte.

Und dann an Lehárs 1909 uraufgeführte Operette „Der Graf von Luxemburg“, die vom Lotterleben eines Adelssprosses in der Pariser Bohème erzählt: „So liri, liri, lari, das ganze Geld ging tschari: verjuxt, verputzt, verspielt, vertan, wie's nur ein Luxemburger kann“, singt der Titelheld in seiner Auftrittsarie.

Das sind zweifellos nicht gerade die Assoziationen, die sich die Macher:innen von „Esch 2022“ für Luxemburg erträumen. Wenn die 35 000-Einwohner-Gemeinde im Süden des Großherzogtums im nächsten Jahr „Europäische Kulturhauptstadt“ ist, will sie sich nämlich als lebendiges, zukunftsfrohes Zentrum im Herzen des Kontinents präsentieren.

Die Hauptstadt Luxemburg trug bereits zweimal den Ehrentitel, 1995 und 2007, jetzt ist also die zweitgrößte Stadt des kleinen Landes dran, zusammen mit Kaunas in Litauen und Novi Sad in Serbien. Esch-sur-Alzette, wie der Ort nach dem Flüsschen genannt wird, an dem er liegt, hat sich mit den umliegenden Gemeinden zusammengetan sowie mit der französischen Grenzregion „Grand Est“.

Bei dem jetzt bekanntgegebenen Programm, das am 22. Februar 2022 starten soll, lautet das Leitmotiv „Remix Culture“. Wobei der Kulturbegriff so weit wie möglich gefasst wird. Bürgerbeteiligung und Inklusion sind Nancy Braun wichtig, der Generaldirektorin von „Esch 2022“. Die Veranstaltungen sollen um die Fragen kreisen „was uns als Menschen ausmacht“ und „wie wir von unserer Umwelt geprägt sind“.

Ein Transformationsprozess ist im Gange

Sich neu erfinden zu müssen, das ist eine Erfahrung, die Esch mit vielen Städten teilt, die einst durch Industrieansiedlungen zu Wohlstand gelangten und später durch den Strukturwandel in existenzielle Krisen gestürzt wurden. Im Falle Luxemburgs waren es Erzvorkommen, die im 19. Jahrhundert entdeckt wurden und den Bau von Eisen- und Stahlwerken nach sich zogen.

Hochöfen und Zechen prägten die urbanen Agglomerationen der Minett-Region, Arbeitskräfte wurden aus den Nachbarländern Belgien, Frankreich und Deutschland angeworben, aber auch aus Italien und Polen.

Mit ihrem „Remix Culture“-Programm will Esch 2022 sowohl die Vielfalt feiern und Visionen vom grenzenlosen Europa entwerfen, als auch die eigene Historie reflektieren und die lokale Identität stärken. Der Ortsteil Belval mit seinen umgestalteten Werkshallen und Gewerbebauten soll als Kulturort erfahrbar werden und den Transformationsprozess von der Industrie- zur Wissensgesellschaft zeigen.

Geschichte der Gewerkschaftsbewegung

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf digitaler Kunst, Kooperationen mit der Ars Electronica in Linz, dem Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe und dem Haus der elektronischen Künste in Basel sind in Vorbereitung.

Das Arbeitsmuseum in Kayl wird auf die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung schauen, ein multimediales Projekt untersucht die „Colônia Luxemburguesa“, eine Industrieansiedlung nach zentraleuropäischem Vorbild im Urwald Brasiliens.

Die Gemeinde Lommelshaff hat einen leerstehenden Bauernhof gekauft, der zum kommunalen Begegnungsort ausgebaut wird, einschließlich einer Gemeinschaftsküche, wo traditionelle Rezepte wiederentdeckt werden sollen.

Die Schirmherrschaft für die Aktivitäten im Jahr der „Europäische Kulturhauptstadt“ hat übrigens „Ihre Königliche Hoheit“, die luxemburgische Großherzogin Maria Teresa übernommen. Ein wenig operettenmonarchischer Glanz darf es dann also doch sein.

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