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Schriftsteller Peter Handke, 76.

© Francois Mori/dpa

Update

"Ein Apologet von Kriegsverbrechen": Peter Handke als Literaturnobelpreisträger unzumutbar?

Die Kontroverse um die politische Haltung des österreichischen Schriftstellers als Literaturnobelpreisträger verschärft sich.

Mit der Zuerkennung des diesjährigen Literaturnobelpreises an Peter Handke hat sich die Kontroverse um dessen politische Haltung zu den Jugoslawienkriegen verschärft.

Die Schriftstellerin Jennifer Egan, Präsidentin des amerikanischen PEN, teilte mit, ihre Organisation kommentiere im Allgemeinen nicht die Literaturpreise anderer Institutionen.

In diesem Fall müsse sie aber eine Ausnahme machen: „Wir sind“, heißt es, „verblüfft über die Wahl eines Schriftstellers, der mit seiner öffentlichen Stimme die historische Wahrheit untergraben und den Tätern des Völkermords, wie dem ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Miloševi und dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzi, öffentliche Unterstützung gewährt hat.“

Weiter: „Wir lehnen die Entscheidung ab, dass ein Schriftsteller, der hartnäckig gründlich dokumentierte Kriegsverbrechen in Frage gestellt hat, es verdient, für seinen ,sprachlichen Einfallsreichtum‘ gefeiert zu werden.“

Unter Bezug auf die PEN-Charta schreibt sie: „In einem Moment des zunehmenden Nationalismus, der autokratischen Führung und der weit verbreiteten Desinformation auf der ganzen Welt verdient die literarische Gemeinschaft etwas Besseres als das. Wir bedauern die Entscheidung des Nobelkomitees für Literatur sehr.“

Kritik von Ischinger

Auch in Deutschland gab es Kritik an der Vergabe des Preises an Handke – inklusive einer Kritik am Außenminister. Heiko Maas hatte sich wohlwollend über den nun geehrten Handke geäußert, das verärgerte Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, vorher langjähriger Spitzendiplomat des Auswärtigen Amtes.

Ischinger zweifelte in einem Tweet das Lob von Maas an und ergänzte: „Deutschland hat (unter SPD-Kanzler Schröder) gegen den von Handke geehrten Milosevic 1999 Krieg geführt, mit sehr guter humanitärer Begründung. Und jetzt ehren wir den Apologeten des Diktators mir nichts, dir nichts?“

Im Londoner „Guardian“ wird der slowenische Philosoph Slavoj Žižek zitiert, der sich Handkes 2014 geäußerter Meinung, der Literaturnobelpreis gehöre abgeschafft, mokant anschließt. „Das ist Schweden heute“, sagt Žižek: „Ein Apologet von Kriegsverbrechen bekommt den Nobelpreis, während das Land einen wesentlichen Beitrag zum Charaktermord des wahren Helden unserer Zeit, Julian Assange, geleistet hat. Unsere Reaktion sollte sein: Nicht den Literaturnobelpreis für Handke, sondern den Friedensnobelpreis für Assange.“

Auf dem Westbalkan zeigte man sich erwartungsgemäß gespalten. Während der serbische Kulturminister Vladan Vukosavljevi gegenüber der Nachrichtenagentur Tanjug erklärte, Handke hätte den Nobelpreis „schon längst bekommen müssen, doch dann hat die Politik ihre Finger dazwischen gemischt“.

Ironisch fragte der ehemalige kosovarische Außenminister Petrit Selimi die schwedische Akademie via Twitter, ob sie auch Handkes Rede, die er beim Begräbnis des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Miloševi hielt, als Teil seines literarischen Werks berücksichtigt habe. Vlora Çitaku, die kosovarische Botschafterin in den USA, sekundierte ihm mit einem Tweet, in dem sie die Entscheidung „skandalös“ nannte. Albaniens Außenminister, Gent Cakaj, bezeichnete die Auszeichnung als „unwürdig und schändlich“.

Ähnlich äußerte sich der bosnisch-amerikanische Schriftsteller Aleksandar Hemon. „Peter Handke ist der Bob Dylan unter den Genozid-Leugnern“, twitterte Hemon und verlinkte einen „Guardian“-Artikel von 1999, der über Handkes Positionen zum Bosnien-Krieg informiert.

Die in Sarajevo erscheinende Tageszeitung „Dnevni Avaz“ bezeichnete Handke als „leidenschaftlichen Fan der Serbo-Tschetnik-Bewegung, der im Rahmen dieser Ideologie öffentlich den Genozid in Srebrenica leugnet“. (tsp)

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