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Der britische Musiker Ed Sheeran

© Ennio Leanza/dpa

Ed Sheeran in Berlin: Alles Echte tut gut

Der liebe Junge von nebenan, praktisch, authentisch, gut: Das Konzert des britischen Pop-Superstars Ed Sheeran in der Berliner Mercedes-Benz-Arena.

Es mutet seltsam an, wenn man sich an diesem Montagabend im weiten, vollen Rund der Mercedes-Benz-Arena umschaut und weiß, dass hier über zehntausend Menschen auf gerade einen einzigen, allein mit einer Gitarre auftretenden Musiker warten; und zwar keine älteren, mit irgendwelchen Liedermachern, Singer/Songwritern oder Rockbands sozialisierten Menschen, sondern überwiegend Teenager und Mittzwanziger, die sich vermutlich sonst mehr bei Boygroups, Hip-Hop-Acts oder den bunten, abwechslungsreichen Shows einer Rihanna oder einer Lady Gaga herumtreiben. Zur Not vielleicht noch bei Adele, so sie schon ein bisschen erwachsener sind.

Nein, hier warten alle gerade nach zwei nicht besonders bemerkenswerten Vorbands geduldig auf einen 26-jährigen Briten, der nicht einmal besonders gut, geschweige denn glamourös aussieht, dafür nett ist, rothaarig und ein wenig babyspeckig, kurzum: auf den lieben Jungen von nebenan. Ed Sheeran heißt dieser Junge, der gerade der Über-Popstar dieser Tage ist mit seinem drittem Album „Divide“ und dem Hit „Shape of You“. Damit hat Ed Sheeran seit Anfang März alle möglichen Rekorde gebrochen: in den regulären Charts, wo er in zahlreichen Ländern auf Platz eins steht, bei den Streaming-Diensten, wo seine Songs mehrere hundert Millionen Mal aufgerufen wurden, in den Radios, wo „Shape of You“ schon jetzt als der meistgespielte Song aller Zeiten gilt.

Als Sheeran schließlich mit seiner akutischen Gitarre auf die Bühne springt, in blauer Jeans, Turnschuhen und schwarzem T-Shirt, mit knallbunten Tattoos an den Unterarmen, herrscht Kreisch- und Smartphonealarm. Sofort beginnt der Brite einen Hit auf den nächsten zu spielen. „Castle On The Hill“ und „Eraser“, beide von "Divide", „A-Team“ oder „Bloodstream“, allesamt dramaturgisch fein ausgeklügelt, SONGS halt, mit starkem Refrain und schöner Melodie. Den einen oder anderen rappt Sheeran auch, und natürlich wird er zudem von Samplern und Sequenzern unterstützt, die verdeckt vor seinen Füßen stehen und die er vorher programmiert hat. Zu seiner Gitarre pluckert immer ein Beat aus der Box. Die pure Authentizität, das so einfache und echte und quadratisch praktisch Gute ist das eben auch nicht, soll es gar nicht sein, dafür ist Ed Sheeran viel zu sehr Kind seiner Zeit.

Ganz ohne Beat-Geplucker geht es nicht

Es fällt an diesem Berliner Abend aber auf, wie im Verlauf einige der neueren Stücke gegen die alten doch abfallen, sie nicht das Zwingende der Vorgängeralben haben. Eine gewisse formlose Seichtheit regiert da auf einmal. Im Grunde ist „Divide“ trotz des Marimba-funkigen Pünktchen-Überhits „Shape of You“ und des kantigen „Eraser“ das bislang schwächste Sheeran-Album; eines, das aus einer aktuell gängigen, bunten, harmlosen Pop-Melange besteht: ein bisschen spanisches Flavour („Barcelona“), ein bisschen irisches und schottisches Liedgut mit Dudelsack und anderem Folklore-Sprengseln („Galway Girl“, „Nancy Mulligan“), ein bisschen Mitmach-R&B („Perfect“), dazu einige Schmacht-Rock-Essentials.

Manchmal hat man den Eindruck, Ed Sheeran tut nur so authentisch. So als sei er nicht wirklich überzeugt von der Kraft der sechs Saiten. Dann klopft er auf den Körper seiner Gitarre, dann wieder animiert er sein Publikum, das jede Banalität aus seinem Mund zwischen den Songs zum Kreischen und Jauchzen bringt, zum Mitmachen. (Ja, er kommt nächstes Jahr wieder, kreisch!) Oder er zitiert Zeilen und den Refrain aus „Human“, den großen Hit eines anderen im Moment sehr angesagten Ehrlichrocker, den Blues-Schmachter Rag’n’Bone Man.

Zu "Sing" singen alle mit

Mit diesem und seinem weiblichen Pendant, Adele bedient Ed Sheeran die gerade sehr ausgeprägte Sehnsucht nach vermeintlich einfacher, handgemachter Musik, nach Songs, nach großen Stimmen. Eben nach der guten alten Wirklichkeit, die zwischen der so unguten politischen da draußen und der digitalen böse zerrieben wird. Vielleicht nach dem Motto: Wir sind doch auch noch da! Unsere Ichs, unsere Seelen, unsere Körper. „Sing“ heißt einer der besten Songs von Sheeran. Den spielt er vor den Zugaben, in diesem kippt seine Stimme ins Falsett-hafte, da schlägt er die Gitarre besonders hart an. Alle singen nun aus voller Kehle und sich ihrer selbst vergewissernd mit, bevor es ans große Finale geht mit „Shape of You“ und einem zweiteiligen Stück, das Sheeran ohne Instrument vor der Bühne auf und ab tanzend bestreitet. Schneller als gedacht ist die schlichte, effektive und unterhaltsame Ein-Mann-Show zuende. Trotzdem gehen danach vermutlich alle mit viel Sanftmut und Friedfertigkeit und Hoffnung nach Hause. Alles wird doch gut.

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