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Die Rapper Kollegah und Farid Bang beim Auftritt im Rahmen der Echo-Verleihung.

© AFP/Axel Schmidt

Echo für Kollegah und Farid Bang: Das wird man ja wohl noch singen dürfen?

Hier Merkel-Deutschland, dort provokante Populisten: Der Echo-Schlagabtausch zwischen Campino und Kollegah zeigt die Bruchstellen der Gesellschaft. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Es war eine gewundene, schließlich einfach auf Verkaufserfolge verweisende, letztendlich aber die Verantwortung an die Gesellschaft weitergebende Erklärung, die der BVMI, der Bundesverband Musikindustrie kurz vor der Echo-Preisverleihung wegen des Auftritts der multiphoben Hass-Rapper Kollegah und Farid Bang herumschickte: „Wir als Gesellschaft sollten nun hinschauen und uns damit auseinandersetzen, anstatt schlicht auf Ausgrenzung zu setzen“, hieß es am Ende der Erklärung: „Wir sehen doch, dass wir über ein weitaus größeres, gesellschaftliches Thema sprechen als über einen Musikpreis.“

Tatsächlich war es dann am Donnerstagabend beim Echo so, dass nicht nur Preise verliehen wurden, sondern sich gesellschaftliche Bruchstellen abzeichneten. Das verdankt sich dem Auftritt von Campino von den Toten Hosen – und der Reaktion ebenjener Rapper. Campino machte, was sich gehört und dem einen oder der anderen an diesem Abend ebenfalls gut angestanden hätte: Er prangerte in der Dankesrede für den Preis als bester Rock-Act die Grenzüberschreitungen der Rapper an, warf ihnen Antisemitismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit vor.
Er bekam zu Recht Applaus. Trotzdem hatte man auch den Eindruck: Hier steht nun wieder jemand aus dem vom rechten Rand und den vielen Populisten so gern angefeindeten linksliberalen Mainstream – etabliert, in einem gewissen Alter, mit entsprechender Sozialisation – und hat so seine liebe Mühe, sich der Provokationen von Leuten wie Kollegah und Farid Bang zu erwehren. Er entschied sich gegen einen Boykott – und für die Auseinandersetzung auf offener Bühne.

Kollegah und Farid Bang pfeifen auf Moral, haben keine Lust auf Konsens

Nur schien seine Kritik gar nicht anzukommen, so selbstgefällig war Kollegahs Reaktion, so sehr empfanden die zwei Rapper sich einmal mehr als Opfer einer Kampagne. Kollegah warf Campino Stillosigkeit vor. Ihre Argumente sind bekannt: Sie sind eben so erfolgreich, dass sie trotz ihrer vielen hanebüchenen Lyrics bei der Verleihungszeremonie des leider Gottes wichtigsten deutschen Musikpreises auftreten dürfen. (Und gar einen Echo gewinnen, Jury!). Und sie argumentieren letztendlich auch: Man wird eine Zeile wie „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ doch mal texten und singen dürfen. Zumal sie, anders als Provokationen von AfD-Abgeordneten, unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit liegt.

Jenseits von Generationsunterschieden in Sachen Alter und Pop (kein Teenager hört mehr Hosen-Rock, popkulturelle Abgrenzung läuft heute über Hip-Hop) repräsentierte Campino an diesem Abend die alte Bundesrepublik und das unter Druck geratene Merkel-Deutschland – und Kollegah und Farid Bang die Teile des Landes, die keine Lust mehr auf Konsens haben, auf Moral pfeifen, glauben, sie würden von der Politik stets angelogen. „All Eyez On Us“ hieß das Stück, das die Rapper performten, ein Verweis auf einen Track des US-Hip-Hoppers Tupac. Aber leider auch: die Wahrheit dieses Echos.

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