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Kultur: Dreißig, verweht

Bibiana Beglaus Augen können sehr, sehr traurig schauen. Sie sagt, es gebe tausend Gründe, um zu leben - für sie aber zählt kein einziger.

Bibiana Beglaus Augen können sehr, sehr traurig schauen. Sie sagt, es gebe tausend Gründe, um zu leben - für sie aber zählt kein einziger. Beglau reicht ein Zucken der Lippen, ein Nicken, um die herbe Bibi entstehen zu lassen. Bibi spricht aus, was sie denkt. Sie tut, was sie will. Und sie macht Ernst mit ihrer Ankündigung: "Mit dreißig ist Schluss".

Stefan Jägers "Birthday" ist ein Film über Freundschaft bis in den Tod. Mit Anfang 20 haben sich die Freunde Bibiana, Harald, Claudio und Tamara getrennt. Aber immer, wenn einer von ihnen 30 wird, wollen sie sich wieder treffen. Beim ersten Wiedersehen sind sie noch gehemmt: Tamara hat vor zehn Jahren ein Kind von Claudio abgetrieben, und den schwulen Harald verbindet mit Bibiana eine verkorkste Liebesgeschichte. Nach und nach kehrt das Vertrauen zurück, das dritte Fest wird an dem Strand gefeiert, wo man sich kennen lernte. Alles ist wie dokumentarisch inszeniert: Die Figuren heißen wie die Schauspieler, die Dialoge sind improvisiert, immer wieder sprechen die Darsteller direkt in die Kamera. Als aber Bibiana davon redet, sich das Leben zu nehmen - wirkt das bei derlei dokumentarischem Touch nicht nur noch monströs?

Ihr Geburtstag ist der letzte der vier. Die Freunde finden sie mit Tabletten vollgepumpt in der Wohnung und hetzen mit ihr am Tag der Love Parade durch Berlin. In diesen Rahmen sind die Sequenzen der anderen Geburtstage hinein geschnitten. Es hat seinen Reiz, dass der Zuschauer von Anfang an mehr weiß als die Vier. Man will erfahren, warum die steife Tamara bald wieder fröhlich und schwanger ist - und von wem. Genauso, ob Bibiana die Überdosis Tabletten überleben wird. Doch der Mangel an Distanz wird zur Last. Wenn Claudio mit Bibi in den Armen das Treppenhaus hinunterhetzt, scheint die Kamera ihm fast über die Schulter zu springen. Und immer wieder die Gesichter, so nah, so groß. Für diese Intimität ist der Film zu plump. Er denkt auch nicht wirklich nach über die Frage, die er stellt: Wie frei bestimmt der Mensch über sein Leben? Bibiana sagt: "Ich gehe gar nicht wirklich". Was damit gemeint ist, erfährt der Zuschauer am Schluss. Und der ist tatsächlich zu viel des Guten.

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