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Kultur: Drachenmann Jazzpianist Brad Mehldau über sein neues Trio

Mr. Mehldau, Ihr neues Album „Day is Done“ ist nach einem Stück des englischen Singer-Songwriters Nick Drake benannt.

Mr. Mehldau, Ihr neues Album „Day is Done“ ist nach einem Stück des englischen Singer-Songwriters Nick Drake benannt. Seinen „River Man“ spielen Sie in fast jedem Konzert. Lassen Drakes düstere Lieder um Tod und Einsamkeit Sie nicht mehr los?

Ich mag die Einfachheit des „River Man“ und den ungewöhnlichen 5/4-Takt. Für „Day is Done“ gibt es aber eine einfache Erklärung: Mit einer Ausnahme haben wir alle Stücke an einem einzigen Nachmittag aufgenommen, letztes Jahr in New York am 13. März, während es draußen dunkel wurde.

Sie waren Anfang der neunziger Jahre Teil der so genannten konservativen Revolution im Jazz, die sich vom experimentellen Jazz absetzen wollte. Wie sehen Sie diese Bewegung jetzt mit 35 Jahren?

Die neunziger Jahre waren eine gute Zeit für junge Jazzmusiker. Es gab viele Auftrittsmöglichkeiten, viel mehr als für einen talentierten Musiker, der heute 19 oder 20 Jahre alt ist. Nach 15 Jahren im Geschäft glaube ich nicht, dass diese Auseinandersetzung um den wahren Jazz etwas gebracht hat. Es ist sogar schwieriger geworden, ein aufmerksames Publikum zu finden, jedenfalls in den USA.

Ihre Alben tragen den Untertitel „Art Of The Trio“. Welche Rolle spielt das Piano-Trio im heutigen Jazz?

Meine Platten als Reihe zu betrachten, war eine Idee unseres Produzenten, um die Entwicklung des Trios zu dokumentieren. Wenn ich Bands vergleiche, dann nicht, weil sie dieselbe Besetzung haben. Wenn ich darüber nachdenke, was Esbjörn Svenssons E.S.T., The Bad Plus und wir gemeinsam haben, dann fällt mir nicht viel ein. Ich bin nicht einmal sicher, ob es überhaupt etwas gibt, das uns verbindet.

Sie haben nach zehn Jahren mit Jeff Ballard einen neuen Schlagzeuger aufgenommen. Was hat sich dadurch verändert?

Jeff spielt extrovertierter als mein langjähriger Schlagzeuger Jorge Rossy, der eher sensibel mit der Musik umging. Jeff ist präsenter. Er fordert mich heraus.

War Vorgänger Jorge Rossy enttäuscht?

Er wollte sowieso nicht mehr Schlagzeug spielen. Er lebt jetzt in der Nähe von Barcelona und spielt Klavier.

Sie wollen um keinen Preis mit dem Pianisten verglichen werden und in eine Ecke geraten, die Sie den „Sensitive White Guys Club“ nennen. Was meinen Sie damit?

Ich verabscheue die rassistische Idee, dass Sensibilität und Romantik Eigenschaften von weißen Musikern sind. Die Größten des Jazz, Billie Holiday, Miles Davis, John Coltrane, waren große Romantiker, und sie alle waren schwarz.

Auf Ihrer Website finden sich Links zu politischen Organisationen wie „War Child“. In der „Jazztimes“ beschwert sich ein Leser über Leute wie Charlie Haden und Sie, die sich lieber um ihre Musik kümmern sollten.

Ich bin kein politischer Aktivist. Aber es war wohl naiv von mir, zu glauben, Jazz sei seinem Wesen nach liberal und progressiv. Es gibt eine ganze Reihe konservativer Jazzfans.

Sie tragen eine große Tätowierung auf Ihrem Arm, was hat es damit auf sich?

Es ist ein chinesischer Drache. Ein Symbol für die dunkleren Seiten des Daseins. Es ist immer die Frage, wie man mit den dunklen Kräften in sich umgeht. Ich versuche, sie anzunehmen, statt vor ihnen davonzulaufen.

Das Gespräch führte Maxi Sickert. Brad Mehldaus Trio spielt heute um 20 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie.

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