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Blick in die Ausstellungsräume der Fahrbereitschaft mit Werken Klaus Rinkes.

© Haubrok Foundation

Doppelausstellung mit Klaus Rinke: Der Künstler, der zwölf Fass aus dem Rhein schöpfte

Uhrzeiger, Körpergesten: Haubrok Foundation und Kicken Galerie präsentieren den Düsseldorfer Performancepionier und Aktionskünstler.

Die Uhr! Klaus Rinke hat es mit ihr. Im Düsseldorfer Volksgarten hat er mit 24 Normalzeituhren das „Zeitfeld“ aufgestellt, mehr aus Not so benannt. Titel mag der Künstler seinen Arbeiten nicht geben; es sind Objektangaben, ergänzt um die Jahreszahl. In der Kicken Galerie hängt in der Ausstellung „Klaus Rinke. Projects – MoMA 1973 et al.“ die Fotografie einer Normaluhr, klassisch, klar, endgültig.

Es geht bei Rinke um Zeit, um ihr Verstreichen, um die Bewusstwerdung des Verstreichens. Dazu bedarf es nicht der Uhr, die ein Hilfsmittel ist, Zeit in Zahlen zu bannen. Rinke unternimmt Aktionen mit dem eigenen Körper, mit Wasser oder beidem, die auf jeweils eigene Weise „Zeit“ darstellen.

Mit riesigen Schöpfkellen schaufelte er das Wasser aus dem Rhein

In der Haubrok Foundation in Lichtenberg, in der der zweite Teil der Doppelausstellung zu sehen ist, läuft das Video der Aktion „Zwölf Fass geschöpftes Rheinwasser“, die er Ende Juni 1969 von Düsseldorf aus rheinaufwärts unternommen hat, jede Station, bei der er mit riesiger Schöpfkelle Wasser in eine Tonne schaufelte, mit genauer Angabe der Uhrzeit.

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Wasser fließt, es kann verspritzt werden oder aber aus Tonnen allmählich verdunsten. Der Prozess dauert Jahre. Bei Haubrok sind solche Tonnen zu sehen, oder auch ein großes Glas mit der Angabe „Langsam sinkender Wasserstand“, daneben ein gleich großes Glas voller Salz, um Feuchtigkeit zu ziehen.

Ein Trumm aus Metall, darauf eine Wanne, aus der es überläuft

Die größte Installation ist der „Wassertisch“, ein Trumm aus Metall, das eine flache Wanne trägt, bis knapp unter die Kante mit Wasser gefüllt, dessen Oberfläche sich bereits einen zarten Film zugelegt hat. Sammler-Mäzen Axel Haubrok, der Besucher durch die Bauten seiner „Fahrbereitschaft“ im Lichtenberger Gewerbegebiet führt, unterlässt es, das Wasser anzustellen, das eigentlich auf der einen Seite langsam hineinlaufen und gegenüber abfließen soll, wenn die Wannenkante erreicht ist.

Klaus Rinke, geboren 1939 in Wattenscheid, ließ nach Lehre als Dekorationsmaler und Studium an der Essener Folkwangschule 1966 die Malerei sein und wandte sich – im Umkreis des Düsseldorfer Gurus Beuys – Aktionen zu. Er nannte den Gebrauch des eigenen Körpers in schrittweise, gewissermaßen im Uhrzeigertakt wechselnden Gebärden „Primärdemonstrationen“.

Beeindruckende Afro-Frisur, ein Kraftmensch von Statur

Davon zeugen Videos bei Haubrok und Fotografien bei Kicken, so die 25 Aufnahmen der Aktion „Wand, Boden, Raum“ von 1970, mit der Rinke den Raum um den Körper herum ausmaß. Damals lief er mit beeindruckender Afro-Frisur herum, ein Kraftmensch von Statur, der aktionistische Anstrengungen wie die Herstellung von 4000 Litern Schmelzwasser aus in Tonnen geschaufeltem Schnee – 1979 im Schwarzwald – offenbar mühelos bewältigte.

Vermessen. Aus der Serie „Wand, Boden, Raum“, die 1970 in der Londoner Lisson Gallery entstand.
Vermessen. Aus der Serie „Wand, Boden, Raum“, die 1970 in der Londoner Lisson Gallery entstand.

© Klaus Rinke / Courtesy Kicken Berlinm Monika Baumgartl

Rinke, bedauert Haubrok, habe in Berlin nie eine Einzelausstellung gehabt. Da ist sie nun, verteilt auf zwei Orte, und macht Berlin, dessen Westhälfte sich den späten 1960er Jahren der Kunst verweigerte, mit den damaligen Positionen in der Bundesrepublik bekannt, als konzeptionelles Denken die Oberhand gewann.

Damit lag der rheinische Westen auf einer Wellenlänge mit dem Westen jenseits des Atlantik.

Insofern passt es wunderbar, dass in einem weiteren Gebäude der DDR-„Fahrbereitschaft“ die Künstlerporträts der gleichfalls dieser Generation entstammenden Angelika Platen zu sehen sind, unter dem Titel „Sequenzen. Konzeptuelle Fotografie“. Rinke natürlich in wandfüllender Vergrößerung.

Rinkes Arbeiten haben das Plus, nicht nur im Video und der Fotografie präsent geblieben zu sein, es sind eine Menge handfester Objekte und Installationen vorhanden, die der Künstler ohne sich groß um Museen zu scheren, in Österreich hütet. Für sie könnte es keinen besseren Ort geben als die raue Werkhalle in Haubroks Reich.

So manche Installation passte nicht durch die Galerietür

Amüsiert berichtet der Sammler, welche Installation seinerzeit in welcher Galerie nicht gezeigt werden konnte, weil sie nicht durch die Tür passte; von der geplanten Überflutung mit Wasser ganz abgesehen, die dann im Video mit den schönen Eröffnungsworten „Heidegger! Meine Holzwege sind Wasserwege“ erträumt wird.

[Kicken, Kaiserdamm 118, bis 17. 6.; Di bis Fr 14-18 Uhr. Haubrok Foundation, Herzbergstr. 40-42, bis 26. 6.;. haubrok.org]

Zur Ausstellungseröffnung kam Rinke nach Berlin und feierte hier seinen 83. Geburtstag in beneidenswerter Vitalität. Er hat überall ausgestellt, im New Yorker MoMA wie im Pariser Centre Pompidou. Seine Körper-Wasser-Zeit-Arbeiten sind immer noch sperrig. Dreißig Jahre lang war er an der Düsseldorfer Akademie Professor für Bildhauerei. Ihr hat er neue Dimensionen erschlossen mit Aktionen, wie er damals sagte, „nicht etwa als symbolische Handlung, sondern als Plastik“.

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