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Der britische Dirigent Donald Runnicles, 62.

© Bettina Stoess

Donald Runnicles dirigiert Mahler: Abenteuer fürs Ohr

Romantisches Raunen: Donald Runnicles interpretiert Mahlers 2. Sinfonie mit dem Orchester der Deutschen Oper.

Sein ganzes Leben lang hat Gustav Mahler Opern dirigiert – aber nie selber eine geschrieben. Warum nur? Eine These lautet, dass er seine ausufernde Fantasiewelten lieber in sinfonische Formen gebracht hat, weil er hier ohne Rücksicht auf Darsteller oder Bühnentechnik so oft die Szenerie wechseln kann, wie es ihm beliebt. Auch das Spiel mit motivischen Querverweisen und Rückblenden lässt sich hier problemfrei realisieren.

Am Montag geht Donald Runnicles in der Bismarckstraße Mahlers 2. Sinfonie tatsächlich sehr musiktheatralisch an: Mit dem Weitblick eines Erzählers, der seine Hörer durch eine figurenreiche, mythologische Saga führen will. Der Generalmusikdirektor der Deutschen Oper ist ein ausgewiesener Spezialist für Richard Wagner, und im Kopfsatz meint man tatsächlich mehr als einmal, jetzt müsse gleich ein Leitmotiv aus dem „Ring des Nibelungen“ aufblitzen.

Als Hörer wähnt man sich auf vertrautem Terrain bei diesem Konzert im Opernhaus – und muss sich doch auch erst einmal daran gewöhnen, dass Runnicles’ Musiker hier oben stumpfer klingen, als wenn sie im Orchestergraben sitzen. Weil die Akustik nun einmal auf die ideale Entfaltung von Singstimmen ausgerichtet ist. Die ja in den letzten beiden Sätzen dann auch erklingen: Ernst und feierlich schwebt Ronnita Millers voluminöser, prachtvoll blühender Mezzosopran über dem instrumentalen „Urlicht“-Choral. Wie eine mater dolorosa erscheint daneben Elena Tsallagova, wenn sie mit mild-zartem Sopran die tröstenden Klopstock-Worte singt: „O glaube: Du wardst nicht umsonst geboren!“

Eine sinfonische Oper, die vor dem inneren Auge abläuft

Ein Gänsehautmoment jeder Aufführung der – 1895 übrigens in Berlin uraufgeführten – 2. Sinfonie ist der Einsatz des Chores im Finale. Ein wunderbar romantisch-raunendes Pianissimo gelingt am Montag den von Jeremy Bines vorbereiteten Sängerinnen und Sängern der Deutschen Oper. Beeindruckend machtvoll werden sie sich später in den Auferstehungs-Schlussjubel stürzen. Weil Donald Runnicles zuvor klug disponiert, der Versuchung nicht nachgegeben hat, die Lautstärke zu früh bis zum Anschlag auszureizen, kann er diese Apotheose auch orchestral in überirdisch-gleißendem Licht erstrahlen lassen.

Sehr überzeugend ist auch der kompakte, dichte Streicherklang, den Donald Runnicles in den Mittelsätzen entstehen lässt. Besonders der Ländler im Andante wird so nicht zur Volksmusik-Parodie, wie oft zu hören, sondern kann sich in schönster Innigkeit entfalten. Gewissermaßen als Liebesszene in dieser sinfonischen Oper, die vor dem inneren Auge abläuft.

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