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Gedenken. „Do Not Resist“ zeigt die Proteste nach dem Tod von Michael Brown.

© DCM

Dokus über Rassismus in den USA: Weiße Ritter, schwarze Sklaven

Militarisierung der Polizei, Gefängnis als neue Sklaverei: Craig Atkinsons „Do Not Resist“ und Ava DuVernays „13th“ dokumentieren verschiedene Aspekte des Rassismus in den USA.

Zu den sonderbarsten Arten, via Internet Unheil zu stiften, gehört in den USA zur Zeit das sogenannte „Swatting“. Dabei geht es darum, einer anderen Person unter Vorspiegelung eines Verbrechens ein Sondereinsatzkommando der Polizei, ein SWAT-Team nach Hause zu schicken. Ziel ist es, die Betroffenen möglichst vor der Webcam zu „swatten“. Um das Phänomenen des „Swatting“ als grotesken Auswuchs eines Systems zu verstehen, das die Disziplinierungstechniken des Überwachens und Strafens auf immer größere Bevölkerungsteile anwendet, empfehlen sich die beiden Dokumentarfilme „Do Not Resist“ und „13th“.

„Ihr operiert auf dem Feld der Gewalt“, sagt Dave Grossman in Craig Atkinsons „Do Not Resist“, der am Donnerstag in den deutschen Kinos startet und parallel über Video-on-Demand verfügbar ist. „Euer Werkzeug ist also: Überlegene Gewalt.“ Grossman gilt als Amerikas gefragtester Polizeitrainer. Einer, der den Mythos vom Sheriff malt, der nach siegreichem Feuergefecht nach Hause fährt und mit seiner Frau den „besten Sex seit Monaten“ hat. Die Teilnehmer seiner Lehrgänge sind Mitglieder von Spezialeinheiten, deren Zahl in den USA zuletzt explodiert ist – wodurch dem „Swatting“ erst der Boden bereitet wurde. Über achtzig Prozent aller Mittelstädte unterhalten inzwischen ein eigenes SWAT-Team, darunter Kommunen, in denen es seit Jahrzehnten kein Tötungsdelikt mehr gegeben hat. Finanziert wird diese Aufrüstung der Polizei aus dem Budget des Ministeriums für Heimatschutz – eine weitere Maßnahme zur Ausweitung des Kampfes gegen den Terrorismus.

Atkinsons Film wirkt wie schockgeboren

Wenn Atkinson die Polizisten bei Einsätzen in ihren Panzerfahrzeugen filmt, bedient sich „Do Not Resist“ einer Thriller-Ästhetik, der pulsierende Soundtrack schürt das unterschwellige Gefühl einer Bedrohung. Überzeugender ist der Film in den Momenten, in denen er die Auswirkungen dieser Militarisierung den bekannten Nachrichtenbildern gegenüberstellt: Aufnahmen der Ferguson-Proteste nach dem Tod des jungen Afroamerikaners Michael Brown.

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Fasziniert und abgestoßen zugleich spiegelt sich der Kamerablick in den schwarz schimmernden Ritterrüstungen der martialisch aussehenden Polizeieinheiten. Atkinsons Film wirkt wie schockgeboren, eine noch zittrige Reaktion auf die eskalierende Polizeigewalt in den USA. Er hätte in seiner Empörung etwas niedriger temperiert sein können. So wirkt er unentschlossen. Agitatorisch in seinen Mitteln, aber letztlich zu wenig analytisch.

13th geht ins Rennen um den Dokumentarfilm-Oscar

Die Netflix-Produktion „13th“, die am Sonntag ins Rennen um den Dokumentarfilm-Oscar geht, hat diese Probleme nicht. Regisseurin Ava DuVernay wählt ihre Mittel mit Bedacht. Der Titel des Films bezieht sich auf den 13. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung, der besagt, dass kein Bürger in Sklaverei leben darf, es sei denn, es handele sich um einen verurteilten Kriminellen.

Diesen Verfassungsartikel zieht der Film als Maßstab heran, um die Tatsache zu bewerten, dass von den weit mehr als zwei Millionen Inhaftierten in den USA fast vierzig Prozent Schwarze sind. Die These, die DuVernay in Form einer essayhaften Collage aus Talking Heads, Animationen und Archivmaterial herausarbeitet, ist so atemraubend wie kontrovers: Das heutige Gefängnissystem sei eine profitorientierte Industrie, nicht unähnlich den Plantagen im 19. Jahrhundert. Eine moderne Form der Sklaverei also.

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DuVernay spannt für ihre Argumentation einen historischen Bogen. Das System in seiner heutigen Form hat seine Anfänge in dem „War on Drugs“ unter Ronald Reagan, die Entwicklung erreichte in der Ära Clinton mit der sogenannten „Three-Strike-Rule“ einen Höhepunkt. Die rigorose Eindämmung der Kriminalität in den Metropolen betraf in erster Linie die afroamerikanische Bevölkerung, weshalb DuVernay die staatlichen Maßnahmen als ein biopolitisches Programm kritisiert.

DuVernay setzt gezielter auf die Suggestivkraft ihrer Bilder

„13th“ buchstabiert sehr differenziert und historisch fundiert aus, was in den düsteren Bildern von „Do Not Resist“ eher als Subtext anklingt. Die Militarisierung der Polizei und die Privatisierung der Gefängnisse nimmt die afroamerikanische Bevölkerung systematisch ins Visier. Längst werden Hautfarbe und Herkunft eines Menschen in den dystopisch anmutenden Methoden der „Risikovorhersage“ als Faktor herangezogen.

DuVernay setzt dabei viel gezielter als Atkinson auf die Suggestivkraft ihrer Bilder. Unter die Worte Donald Trumps, dass man Störer in der „guten alten Zeit“ aus dem Saal geprügelt hätte, sind in „13th“ Archivbilder eines Schwarzen geschnitten, der unter den Schlägen und Tritten weißer Männer zu einem Spießrutenlauf gezwungen wird. Den inneren Bezug von historischen und aktuellen Aufnahmen lässt „13th“ eher fühlbar werden, als dass er ihn durchsichtig macht: Der Beginn der Repression liegt in der Entgrenzung des Sagbaren.

Do Not Resist: In Berlin im b-ware! ladenkino (OmU), als Video-on-Demand über iTunes, Amazon, Maxdome etc.

13th: verfügbar über Netflix

Janis El-Bira

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