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Geduldig. Ibrahim aus Syrien wartet auf die Aufenthaltsgenehmigung.

© Juan Samiento

Doku „Zentralflughafen THF“: Heimat Hangar

Zeichen der Hoffnung: Der Dokumentarfilm „Zentralflughafen THF“ erkundet den Alltag der Geflüchteten in Tempelhof.

Von Andreas Busche

Die Ironie, dass eines der Vorzeige-Bauwerke des NS-Regimes 70 Jahre später als deutschlandweit größte Unterkunft für Geflüchtete aus Syrien, dem Irak, aber auch der Ukraine dient, ist Regisseur Karim Aïnouz, selbst Kind brasilianisch-algerischer Eltern, nicht entgangen. Zu Beginn seines Dokumentarfilms „Zentralflughafen THF“ (der internationale Code für den Flughafen Tempelhof) erklärt eine Stadtführerin die Geschichte des neoklassizistischen, vom deutschen Architekten Ernst Sagebiel entworfenen Hauptgebäudes mit der 1200 Meter langen Hangaranlage.

Der Kurzvortrag erzeugt für einen Moment eine nicht nur historische Distanz, ähnlich fungieren auch die zu wechselnden Jahreszeiten eingestreuten Totalen des Halbrunds. Der studierte Architekt hat ein besonderes Interesse an der Struktur und der Bedeutung des Flughafens, ursprünglich wollte Aïnouz einen Film über die Schließung von Tegel, dem anderen Berliner Großbauwerk der Luftfahrtmoderne, drehen. Aber dann kam die sogenannte Flüchtlingskrise dazwischen, plötzlich stand ein anderer Flughafen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der Flughafen, dieses so wirkmächtige Symbol der Globalisierung.

Was, wenn aus der Durchgangsstation ein Dauerzustand wird?

Zehn Jahre nachdem das letzte Flugzeug dort abgehoben ist, verbindet Tempelhof Berlin heute wieder mit der Welt. Aïnouz interessiert an dieser außergewöhnlichen Situation das Einende und das Trennende, denn der vielerorts beschworene Ausnahmezustand bezieht sich ja mitnichten auf das Gemeinwohl der bundesdeutschen Gesellschaft, sondern tatsächlich auf die Lebensumstände der displaced people, die oftmals zu fünft oder sechst in den improvisierten Würfeln im weitläufigen Hangar leben müssen. Flughäfen sind Transiträume – was aber, wenn aus der Durchgangsstation plötzlich ein Dauerzustand wird?

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„Zentralflughafen THF“ geht dieser Frage mit einer für die aktuell wieder mal reichlich aufgehitzte Debatte bewundernswerten Gelassenheit auf den Grund. Die verständlichen Frustrationen der Hangarbewohner über die deutsche Bürokratie, die kulturellen Differenzen, die ganz schnell zu praktischen Problemen führen (etwa wegen fehlender Türen in den Würfeln), die Ungewissheit ob der Dauer dieses (auch rechtlichen) Zwischenzustands, das alles fängt Aïnouz mit respektvoller Zurückhaltung ein.

Architektur als ebenbürtiger Protagonist

Überzeugungsarbeit war zunächst nötig, um das Vertrauen der Bewohner zu gewinnen. In dem zu Beginn der Dreharbeiten 18-jährigen Ibrahim aus Syrien und dem irakischen Chirurgen Qutaiba, der damals noch auf seine Arbeitserlaubnis wartete, hat er zwei wunderbare Protagonisten gefunden, die ihm einen Einblick in den monotonen Alltag der Geflüchteten zwischen Friseurbesuchen, Deutschunterricht und Amtsterminen gewähren. Ibrahim möchte eine Lehre als Kfz-Mechaniker beginnen, sobald er seine Aufenthaltsgenehmigung hat, aber realisiert auch, dass seine Sachbearbeiterin überfordert ist. Irgendwie sitzen sie alle im selben Boot – das ist vielleicht auch schon die nicht unmaßgebliche Quintessenz von „Zentralflughafen THF“.

Aïnouz macht die Architektur zu einem ebenbürtigen Protagonisten, der die Menschen manchmal zu schlucken droht. Die Spannung aus Distanz und Nähe ist jedoch instruktiv für „Zentralflughafen THF“, der einerseits das Porträt einer „Institution“ bei der Arbeit ist – im Sinne des Dokumentarfilmers Frederick Wiseman –, aber eben auch einen nicht-konditionierten Blick auf „die Migranten“ ermöglichen möchte, der die medialen Nachrichtenbilder wieder stärker konturiert. Der Spagat gelingt nur bedingt. Ibrahims tagebuchartige Voiceover-Erzählung fungiert notdürftig als Scharnier zwischen dem Innen und Außen. In Erinnerung bleibt vor allem der Ort Flughafen als Zeichen der Hoffnung: dass aus dem bürokratischen Chaos der deutschen Asylpolitik mit vereinten Kräften etwas Positives erwächst.

Delphi Lux, fsk,  Filmrauschpalast, Hackesche Höfe, Sputnik, Tilsiter, Wolf, Yorck (alle OmU)

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