zum Hauptinhalt
Der schwedische Regisseur Ingmar Bergman (rechts) mit seinem langjährigen Kameramann Sven Nykvist.

© Jakob Forsell / EPA/ dpa

Doku über Ingmar Bergman: Kreativität aus dunkler Quelle

Zum 100. Geburtstag des Regisseurs Ingmar Bergman: ein Dokumentarfilm von Margarethe von Trotta – und eine Retrospektive im Kino Babylon.

Im Kino gewesen, zum Filmemachen entschlossen. Eine schöne Geschichte weiblicher Selbstermächtigung erzählt Margarethe von Trotta in ihrem Dokumentarfilm „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“. Es war die düstere Gottsucher-Allegorie „Das siebente Siegel“ des schwedischen Regisseurs, die in ihr den Wunsch reifen ließ, selbst Filme zu drehen. 18 Jahre war Margarethe von Trotta alt, als sie in Paris von ihrer bildungsbürgerlichen Nähe zu Theater, Musik und Literatur in etwas Neues mitgerissen wurde, die Liebe zum Kino. Sie entdeckte eine Kunst, die alle anderen in sich vereinigte, die Spielraum bot für das Lebensgefühl ihrer Generation.

Es sollte lange dauern, bis Margarethe von Trotta in ersten eigenen Film machen konnte, aber dann, nach fast zwei Jahrzehnten als Schauspielerin und Autorin beziehungsweise als Co-Regisseurin an der Seite ihres damaligen Ehemanns Volker Schlöndorff, kam sie Bergmans Kosmos wieder nah, so fremd ihr die Persönlichkeit hinter dem charismatischen Image auch blieb. Grund genug, ihre Hommage zum 100. Geburtstag des 2007 verstorbenen Ingmar Bergman als Spurensuche anzulegen. „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ ist eine Zeitreise zu seinen Schauplätzen und Lebensmittelpunkten, zu Begegnungen mit Schauspielerinnen, Mitarbeitern, Archivaren, Kollegen und Angehörigen.

Ingmar Bergman wurde 14. Juli 1918 als Sohn eines lutherischen Pastoren-Ehepaars in Uppsala geboren und wuchs in Stockholm auf. Für kindliche Vergehen unnachgiebig unter rituelle Strafen gezwungen, mit allen erdenklichen Tricks um die fehlende Zuwendung seiner Mutter buhlend und voller Hass auf seine zwei Geschwister erlebte er eine Kindheit zwischen Fluchten in die Welt des Puppenspiels, frühen Heimkinos und der harten Knute der schwarzen Pädagogik.

Bergmann würde heute wohl als Borderline qualifiziert

In seiner anlässlich des 100. Geburtstags wiederaufgelegten Autobiografie „Laterna magica“ (im Alexander Verlag, Berlin) erzählt Bergman brillant und selbstironisch von seinen Qualen, von psychosomatischen Krankheiten, Gefühlstumulten und Depressionen. Bergman würde in unserem Zeitalter therapiefreundlicher Pathologisierung wohl als Borderliner qualifiziert, lehnte selbst jedoch empfohlene Heilungsmethoden radikal ab, um das innere Reservoir an Gefühlsintensitäten aus dieser dunklen Quelle weiter für seine Kreativität nutzen zu können.

Nach einer Krise der schwedischen Filmindustrie in den fünfziger Jahren verhalf sein stilisiertes, an psychologische Archetypen anknüpfendes Kino dem frisch gegründeten Schwedischen Filminstitut zum Start auf internationalen Festivals. Bergman war viele Jahre Theaterleiter und Filmregisseur zugleich. Sein großes Vorbild August Strindberg schärfte seine stilistischen Instrumente und seine Experimentierlust, die autobiografischen Themen, gestörte Eltern-Kind-Beziehungen, Ehehöllen und Schuldgefühle in cineastische Schlüsselbilder zu übertragen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Margarethe von Trotta erlebte den größten Triumph ihrer Karriere mit dem goldenen Löwen in Venedig für „Die bleierne Zeit“. In „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ ist eine elegante Archivaufnahme ihres Gangs auf die Bühne zu sehen, wo Liv Ullmann, Star in elf Bergman-Filmen, ihr den Preis überreicht. Ein Gespräch entsteht, in dem die beiden sich darüber austauschen, wie klar die Schauspielerin ihre Rollen – etwa in „Persona“ – als Spiegelfigur des Regisseurs deutete. Von Trottas Film besteht aus Bergman-Miniaturen, die keine Deutungshoheit beanspruchen. Die Regisseurin legt dabei auch eine Spur zu ihren eigenen Anfängen. Gestützt auf die Drehbucharbeit mit ihrem Sohn Felix Moeller sowie seine und Bettina Böhlers Co-Regie gibt Margarethe von Trottas Erinnerung an „Das siebente Siegel“ den Herzschlag ihres Films vor.

Da sitzt sie dann also an dem steinigen Küstenstreifen, an dem Ingmar Bergman über 60 Jahre zuvor die Begegnung des Kreuzritters Antonius mit dem personifizierten Tod inszenierte. Was die Regisseurin mit 18 so tief beeindruckte, bringt sie in der Nacherzählung ihrer klaren Schwarz-Weiß-Bilder sehr spröde nahe.

Wunderbare Montagekunst

Diese zurückhaltende Tonlage prägt die Hommage fern von Besserwisserei. Doch wie so oft scheinen szenische Zitate aus Ingmar Bergmans kristallklar stilisierten Filmen, ihre Poesie und horrende Verstiegenheit nur in sehr knapper Dosierung auf, unbezahlbar wäre ein großes Panorama seines Werks.

„Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ ist folgerichtig ein Film über den Künstler, gesehen mit dem Zeitzeugenblick von Nahestehenden, die alles andere als magisch, poetisch, hypnotisch von seiner Welt und deren Nachklang berichten. Und dennoch schafft es die wunderbare Montagekunst von Bettina Böhler und Margarethe von Trotta immer wieder, mithilfe der sinfonischen Musik von Bergmans langjährigem Hauskomponisten Erik Nordgren aus der nüchternen Kommentarebene in Bergmans Zauber- und Horrorwelt hinüberzublenden.

Der schwedische Theatermann, Drehbuchautor und Regisseur drehte Ende der Vierziger weit weg von Hollywood und Paris fast im Jahresturnus einen neuen Film. François Truffaut schrieb enthusiastische Artikel über seine scharfsichtigen Beziehungstragödien wie „Die Zeit mit Monika“ und seine Komödien à la „Das Lächeln einer Sommernacht“, deren rebellische Geste wider die Prüderie und moralische Autoritätsanmaßung die Nachkriegsgeneration unmittelbar ansprach.

Persönliche Wahrheiten, unbekannte Aufnahmen

Bergmans Filme, erzählt Drehbuchautor Jean-Claude Carrière von Trotta, öffnen Fenster in eine offene Auseinandersetzung mit existenziellen Themen. Sie leben von den starken Frauenfiguren, ergänzt der Regisseur Olivier Assayas. Seine Darstellerinnen Harriett Anderson, Bibi Andersson, Ingrid Thulin und Liv Ullmann machten endlich Schluss mit der gefallsüchtigen Koketterie, die von Schauspielerinnen erwartet wurde. Bergmans existenzielle Themen, seine Auseinandersetzung mit dem Tod, etwa in „Wilde Erdbeeren“, markierten einen großen Abstand zu den gegen psychologischen Tiefsinn allergischen Filmen der Nouvelle Vague. Nichtsdestotrotz gilt Bergman bis heute als erratisches Genie.

An diesem Phänomen setzt Margarethe von Trottas Neugierde an. Wie verhielt es sich mit den oft beschworenen autobiografischen Quellen seiner Fantasie? Daniel Bergman, eins der neun Kinder des Regisseurs und selbst Filmemacher, ätzt mit brillant erzählten Anekdoten gegen die Illusion, der sensible Figurenzeichner sei ein ebenso feinfühliger Vater gewesen.

Persönliche Wahrheiten, unbekannte Aufnahmen, plastische Statements von Gabi Dohm, Rita Russek und anderen aus Bergmans Münchener Jahren feiern seine Lebensleistung und säen zugleich Zweifel daran, dass der Geniekult um den Künstler das Puzzlebild vervollständigen kann. Auf seiner Liste mit den zehn persönlich bedeutsamsten Filmen notierte Bergman übrigens „Die bleierne Zeit“. Margarethe von Trotta zeigt den Katalog, bemerkt, dass sie die einzige Regisseurin in diesem Club war, und merkt trocken an: „Ich bin noch da.“

Ab Donnerstag in 7 Berliner Kinos (alle OmU). Das Kino Babylon zeigt von 12. Juli bis 12. August eine Bergman-Retrospektive. Info: www.babylonberlin.de. Am 16./17. Juli ist dort Liv Ullmann zu Gast.

Zur Startseite