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Regisseur Oliver Frljić bei einer Probe seines Stücks „Aleksandra Zec“.

© Salzgeber

Doku über einen Doppelmord in Zagreb: Und was ist mit unseren Opfern?

Nebojša Slijepčević verfolgt in seiner Dokumentation „Srbenka“ die Proben zu einem kontroversen Theaterstück von Oliver Frljić, das 1991 in Zagreb angesiedelt ist.

„Warum weinst du, du Scheiß-Serbin? Halt’s Maul!“ Weinen, Kreischen, grobe Griffe – es geht hoch her auf der Bühne im kroatischen Rijeka. Das Ensemble probt eine entscheidende Szene aus dem neuen Stück des Regisseurs Oliver Frljić.

Er stellt die letzten Stunden im Leben eines zwölfjährigen Mädchens und dessen Mutter nach – eine wahre Begebenheit aus dem serbisch-kroatischen Krieg: Im Dezember 1991 drangen Angehörige einer Einheit des kroatischen Innenministeriums in die Wohnung einer serbischen Familie in Zagreb ein.

Die emotionale Anspannung ist hoch

Der Vater wurde vor dem Haus getötet, seine Frau und seine zwölfjährige Tochter verschleppt und schließlich ebenfalls ermordet. Die fünf Täter sind bekannt, wurden jedoch niemals zu Rechenschaft gezogen.

Oliver Frljić, 1976 im heutigen Bosnien geboren, bis 2016 Intendant des Kroatischen Nationaltheaters Rijeka und mehrmals Gastregisseur am Berliner Maxim Gorki Theater, konzentriert sich bei seiner Adaption dieses in Kroatien recht bekannten Falles auf das Mädchen Aleksandra Zec, nach dem sein Stück auch benannt ist. Er möchte dem Publikum ihr Schicksal „so nahe wie möglich bringen“, sagt er bei einer Besprechung mit seinen Schauspielerinnen und Schauspielern.

[OmU: Acud, Brotfabrik Kino, Sputnik (OmenglU), Tilsiter Lichtspiele]

Dafür, dass nicht nur das Theater-, sondern auch das Kinopublikum davon erfährt, sorgt Nebojša Slijepčević  feinfühliger Dokumentarfilm „Srbenka“. Er zeigt – mit Ausnahme der Schlusseinstellung – ausschließlich Material, das im Theater gedreht wurde. Bereits zu Beginn ist die hohe emotionale Anspannung der Beteiligten spürbar, handelt es sich bei den 90ern doch um ein hochsensibles Thema in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens.

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Ein schreiend vorgetragener Monolog von Jelena Lopatić nimmt denn auch ein Standardargument des Nachkriegsdiskurses auf: „Ich will ihre Opfer nicht kleinreden, aber was ist mit unseren Opfern?“, ruft sie. Ihre ebenfalls gebrüllte Frage, was denn mit den getöteten kroatischen Kindern sei, taucht am Premierentag im April 2014 leicht variiert wieder auf: Ein Demonstrant hat sie auf eine Pappe geschrieben und steht damit vor dem Theater.

Das Politische hat für alle im Team auch eine private Dimension. Was sich etwa darin zeigt, dass ein kroatischer Schauspieler immer wieder zögert, seinen Monolog einzubringen, bis er zugibt, tatsächlich Wut gegen Serben zu empfinden, weil der Krieg seine Kindheit zerstört habe.

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Dieses Fortwirken alter Gefühle und ihr zersetzender Einfluss auf die Gegenwart sind sowohl in „Aleksandra Zec“ als auch in „Srbenka“ zentral. Am stärksten bündeln sie sich im Film in der zwölfjährigen Nina. Sie spielt eines der vier Mädchen, die mit der Toten in Dialog treten.

Mit sieben erfuhr Nina, dass sie Serbin ist, wofür sie im Film das fehlerhafte Wort Srbenka (statt Srpkinja) benutzt. „Ich war nicht froh darüber, überhaupt nicht“, sagt sie. Fortan habe sie versucht, ihre Herkunft zu verbergen und sich besonders kroatisch zu geben. Als Nina auf der Bühne den Mut aufbringt, ehrlich zu sein, ist das einer der bewegendsten Momente der Dokumentation. Man hofft sehr, dass sie ihn nicht bereut.

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