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Im Visier. Die Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär (CSU).

© Missingfilms

Doku "Face it!" im Kino: Gesichtserkennung für alle

Was bleibt vom Gesicht, wenn es zur Datenmaske wird? Die Doku „Face it!“ beleuchtet das Thema aus künstlerischer, philosophischer und politischer Sicht.

Gerade sorgt die russische FaceApp für Diskussionen. Mit ihr kann man das eigene Gesicht digital altern lassen; was mit den Daten passiert, weiß niemand. Unheimlich ist das, noch unheimlicher wirkt dadurch aber die Aktualität von Gerd Conradts Dokumentarfilm „Face It!“. Es geht um das Gesicht. Genauer gesagt: um das, was vom Gesicht bleibt, wenn es von Kameras in Nullen und Einsen verwandelt wird. Darüber unterhält sich der Videokünstler mit Menschen aus Kunst, Philosophie und Politik. Immerhin verrät die Codierung des Gesichts nicht nur, wer man ist, sondern auch, wie man sich fühlt: die unausgesprochenen Reaktionen auf das Innere und Äußere.

Immer wieder legen sich die Verbindungslinien wie Spinnennetze über Gesichter. Holger Kunzmann erklärt, wie das „Facial Action Coding System“ (FACS) funktioniert. Eine Augenbraue hoch? Zweifel. Beide Mundwinkel runter? Trauer. „Eine Maske verrät uns mehr als ein Gesicht“, wusste schon Oscar Wilde. Das Bildnis des Gerd Conradt, in seiner charismatisch unaufgeregten Art, ist die meiste Zeit zwischen Bäumen zu sehen. Er sinniert über die Frage, was denn nun bleibt vom Gesicht, wenn es zur Datenmaske wird. Der Wald ist allerdings nur eine augmented reality. Conradt steht auf dem Berliner Südbahnhof, ein orwellsches Versuchslabor. Die Polizei führte hier 2017 ein Pilotprojekt zur Gesichtserkennung durch. Die meisten nahmen diese dystopische Entwicklung relativ ungerührt hin. Mit dem digitalen Effekt will Conradt genau das kritisieren: Die Menschen sehen den Wald vor lauter Überwachungskameras nicht.

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Ein paar Aktivisten kommen auch zu Wort. Eindringlich richten sie ihre Appelle an die lethargische Pendlermasse: Das Gesicht wird vom Spiegel der Seele zur seelischen Glaskugel. Vom Panoptismus zur Disziplinargesellschaft, so hat es schon Foucault beschrieben. Was der französische Philosoph ebenfalls voraussagte: Die Menschen werden eines Tages verschwinden „wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand“. Dass der Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU), hier die Rolle der Antagonistin zufällt, ist vorprogrammiert. Sie sieht vorrangig natürlich die Chancen für die „innere Sicherheit“. Dennoch wird sie nicht vorgeführt, so einfach macht Conradt es sich und dem Publikum nicht. Alarmismus und Pragmatismus halten sich in „Face It!“ die Waage.

Jakob Wittmann

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