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Mitglieder des indonesischen Künstler-Kollektiv Ruangrupa bei der Pressekonferenz im Auestadion.

© Swen Pförtner/dpa

Documenta fifteen: Fröhlich geht’s los

Ruangrupa macht bei dieser Documenta alles anders: Auch die Pressekonferenz ist lustiger als sonst.

Nur noch wenige Tage, dann beginnt am Samstag die größte und wichtigste Ausstellung der Welt – die Documenta in Kassel. Zum Auftakt lud das Documenta- Team zur Pressekonferenz ins Kasseler Auestadion ein. Mehr als 18 000 Plätze fasst die Tribüne. Die braucht es freilich nicht, selbst für Journalisten aus aller Welt ist das viel zu viel.

Der großzügige Ort tut trotzdem gut. Endlich muss man sich nicht drängeln bei so einem Anlass, alle hören und sehen alles, es ist sogar Platz für Showeinlagen. Der Künstler Agus Nur Amal PMTOH aus Indonesien spielt ein Puppenspiel hinter einer aufgemalten Fernseh-Mattscheibe. Es geht um die Fulda und ihre Zukunft.

Und obwohl die Kasseler Kinder, mit denen die Inhalte erarbeitet wurden, eher sorgenvoll auf die nächsten 100 Jahre des Flusses gucken, stimmt der Auftritt trotzdem fröhlich. Wenn Kollektive aus Bangladesch und anderen Weltregionen ihre Ideen zusammenwerfen, wie Agus Nur Amal PMTOH sagt, lässt sich doch hoffen.

Hohe Wellen im Vorfeld

Seit 1955 sorgt die Documenta dafür, dass die internationale Kunstszene alle fünf Jahre ins beschauliche Kassel pilgert. 100 Tage lang ist in der ganzen Stadt Gegenwartskunst zu sehen, neue Strömungen, Themen, Medien wurden und werden bei der Documenta gesetzt. Wegen dieses Deutungsanspruchs schlagen die Wellen der mit Steuergeld finanzierten Schau meist schon im Vorfeld hoch, auch dieses Mal.

Das indonesische Kuratorenteam Ruangrupa könnte antisemitischen, antiisraelischen Gruppen eine Bühne bieten, so die Befürchtung. Gänzlich entkräftet wurden die Anschuldigungen, auch die Nähe zur israelfeindlichen BDS-Bewegung, im Vorfeld nicht.

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Im Gegenteil, eine Diskussionsreihe, die unterschiedliche Positionen klären sollte, wurde abgesagt. Man wartet nun also gespannt im sonnigen Auestadion, ob zu dem Thema Neues gesagt wird. Wird jemand die Frage beantworten, ob israelische Künstler bewusst nicht eingeladen wurden?

Sabine Schormann, Generaldirektorin der Documenta, tritt im bunt gemusterten Documenta-Mantel ans Mikrofon, die Namen der Redner werden so verheißungsvoll angesagt als wäre man beim ESC. Alles ungewohnt für eine Documenta-Präsentation, wo sonst auch mal Theoretisches rund ums Ausstellungsgeschehen doziert wird.

Mit Schormann auf der Bühne sind Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle und Hessens Kulturministerin Angela Dorn. Außerdem neun Mitglieder der Kurator:innengruppe Ruangrupa und fünf Mitglieder des künstlerischen Teams, sie winken viel und jubeln oft, wenn sich auf der rechten Bühnenseite etwas bewegt. Dort sitzen die Documenta-Künstler:innen. Ruangrupa haben von Beginn an gesagt, dass Freundschaften, Feiern und Humor Teil ihres Kunstverständnisses sind.

Attacke auf das Ruru-Haus

Die Situation könnte jetzt also tatsächlich lustig, positiv und mitreißend sein, stünde nicht dieses Antisemitismusthema so unbesprochen im Raum. Die besondere Verantwortung, die Deutschland nach dem Holocaust gegenüber Israel fühlt, macht es vielen hier schwer, entspannt zu bleiben.

Niemand kann kontrollieren, wer und wie viele der 1500 eingeladenen Künstler:innen, viele aus dem globalen Süden, diese besondere Verantwortung teilen. Am Ruruhaus, der gemeinsamen Wirkungsstätte von Ruangrupa, hat es am Sonntag rassistische Sprüche als Lichtprojektion gegeben. Auch diese erneute Attacke auf die Kurator:innen wird bei der Pressekonferenz nicht thematisiert.

Christian Geselle und Angela Dorn betonen das Existenzrecht Israels als Staatsräson. Recht viel mehr mehr gibt es zur Antisemitismusdiskussion nicht. Die Pandemie wird als besondere Herausforderung für die diesjährige Documenta wesentlich häufiger thematisiert. Ob und wann Rassismus und Antisemitismus während der Documenta nochmal diskutiert werden, ist also offen.

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