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Die schöne Esmeralda (Sarah Bowden), Objekt der Begierde gleich dreier Männer.

© Disney/Stage/ Johan Persson

Disney-Musical „Der Glöckner von Notre-Dame“: Mensch oder Monster

Ein Musical-Klassiker im Berliner Theater des Westens: Disneys „Der Glöckner von Notre-Dame“ glänzt mit starkem Ensemble und aufwendiger Produktion.

18 Jahre ist es her, dass „Der Glöckner von Notre-Dame“ in Berlin Premiere feierte – das erste Mal, dass ein Disney-Musical außerhalb der USA uraufgeführt wurde. Nach einer Generalüberholung und Stationen in Kalifornien und New Jersey sind Quasimodo & Co wieder zurück in Berlin und liefern im Theater des Westens eine solide erste Vorstellung ab. Das Hightech-Bühnenbild von einst ist verschwunden, Songs wurden gestrichen, umgeschrieben und neu hinzugefügt. Die Musik stammt aus der Feder des Disney-Veteranen Alan Menken, der unter anderem die Oscar-prämierte Musik zu „Arielle, die Meerjungfrau“ und „Die Schöne und das Biest“ schrieb, doch die Story orientiert sich eher an der düsteren Romanvorlage Victor Hugos als an dem Zeichentrickklassiker.

Die Handlung ist bekannt. Im spätmittelalterlichen Paris verlieben sich drei Männer in die schöne Tänzerin Esmeralda, gespielt von Sarah Bowden: Quasimodo, der bucklige Glöckner von Notre-Dame, sein Ziehvater Frollo, der Quasimodo im Glockenturm gefangen hält, um ihn vor dem Hohn des Volkes zu schützen, und der aus dem Krieg zurückgekehrte Soldat Phoebus. Frollo hegt einen tief sitzenden Hass gegen alle „Zigeuner“, zu denen auch Esmeralda gehört. Als Esmeralda seine Zuneigung nicht erwidert, ruft er zum erbitterten Kampf gegen sie und ihre Volksgruppe auf.

Mehr Nuancen als die Disney-Vorlage

Die Premiere, bei der auch Alan Menken anwesend ist, beginnt mit Verspätung aufgrund einer technischen Panne. Die ist angesichts des pompösen Auftakts, der die ganze Kraft des Ensembles demonstriert, allerdings schnell vergessen. In einer metadramatischen Wendung verwandelt sich der charismatische David Jakobs vor den Augen des Publikums in den entstellten Glöckner Quasimodo, indem er sich schwarze Farbe ins Gesicht schmiert und einen Buckel aufsetzt. Mit dieser Verwandlung greift das Stück gleich die zentrale Frage des Abends auf: Wer ist Mensch, wer das Monster? Die Rolle des wahren Monsters, Kardinal Frollo, spielt der herausragende Felix Martin mit deutlich mehr Nuancen als die Figur der Disney-Vorlage. Man fühlt seine innere Zerrissenheit zwischen religiöser Folgsamkeit und fleischlichen Gelüsten und nimmt ihm sogar ab, dass er es gut mit Quasimodo meint. Martin liefert mit dem Hit „Das Feuer der Hölle“ auch den Höhepunkt der Show.

Leider folgt dem starken ersten Akt eine schleppende zweite Hälfte, da hier die kitschig inszenierte Liebesgeschichte zwischen Esmeralda und Phoebus im Vordergrund steht. Große Teile der Handlung werden von den Darstellern lediglich nacherzählt – nicht zuletzt, weil das dramatische Finale technisch schwer zu realisieren ist. Ansonsten begeistert die professionelle Umsetzung des Musicals; das Bühnenbild, die Darsteller und der satte Sound – das Ensemble wird zusätzlich von einem Berliner Chor unterstützt. Manchmal nimmt sich die Inszenierung selbst etwas zu ernst, zumal die Moral der Geschichte, dass wahre Schönheit von innen komme, recht simpel ist. Im Gegensatz dazu ist „Der Glöckner von Notre-Dame“ ein eher oberflächliches Vergnügen. Kompetent vorgetragene Disney-Ohrwürmer vor beeindruckender Kulisse.

Bis 4. November, täglich außer Montag

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