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Ungeliebte Fläche. Blick über den neuen Scharounplatz zur Piazzetta auf dem Kulturforum.

© Lichtschwärmer/Grün Berlin

Die Zukunft des Berliner Kulturforums: Garage des Grauens

Die Flächen unter der Piazzetta am Kulturforum werden seit 25 Jahren als Möbeldepot benutzt, statt sie an motorisierte Philharmonie-Besucher zu vermieten.

Es ist das ungeliebte Kind am Kulturforum: das Kunstgewerbemuseum von Rolf Gutbrod. Neben den architektonischen Solitären von Weltgeltung, der Philharmonie und der neuen Nationalgalerie, neben der Matthäuskirche im Stil der oberitalienischen Romanik und der zurückhaltend-eleganten Gemäldegalerie nimmt sich der kantige, fast fensterlose Klotz wie ein hässliches Entlein aus.

Dabei war Gutbrods Entwurf hochmodern, als er 1965 den Wettbewerb für den Neubau des Kunstgewerbemuseums gewann. Anti-monumental wollte er das Haus und wählte darum ganz bewusst die schlichten Materialien Backstein und Sichtbeton. Als nach endlosen Planungen 1987 dann die Eröffnung stattfand, wirkte das Gebäude völlig aus der Mode. Was sich mittlerweile wieder ändert: In seiner industriellen Bunkerhaftigkeit geht vom Kunstgewerbemuseum fast schon wieder eine Faszination aus.

Der Bundesrechnungshof rügte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Aus einem ganz und gar nicht künstlerischen Grund geriet das Haus jüngst in die Schlagzeilen: Der Bundesrechnungshof hatte einen Bauunterhalts-Stau bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angeprangert. In dem Ende Oktober veröffentlichten Bericht zum Immobilienbestand der Stiftung, zu dem auch das Kunstgewerbemuseum gehört, wird bemängelt, dass „verschiedene Liegenschaften zahlreiche und zu großen Teilen erhebliche Schäden“ aufweisen.

Neben dem Sitz des Stiftungspräsidenten selber, dem Staatlichen Institut für Musikforschung oder dem Geheimen Staatsarchiv in Dahlem eben auch das Kunstgewerbemuseum. Zum einen haben sich oberschenkeldicke Rankpflanzen an den Fassaden-Fugen des Gutbrod-Baus bis zum Dach hochgearbeitet, zum anderen müssen wertvolle Exponate unsachgemäß gelagert werden, weil es an geeigneten Depotflächen fehlt.

In der Tat befinden sich seit Mitte der neunziger Jahre weit über Hunderte von Möbeln und kleineren Design-Objekten in der Tiefgarage unter der sogenannten Piazzetta. In einer ersten Stellungnahme sagte der Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Gero Dimter: „Die Lagerung ist eine Notlösung. Wir haben nirgendwo sonst die notwendigen 2500 Quadratmeter. Das schaffen wir erst durch den Depot-Neubau in Friedrichshagen, der gerade entsteht.“

Blick auf die Piazzetta, im Vordergrund ein verschlossener Eingang zur zweckentfremdeten Tiefgarage.
Blick auf die Piazzetta, im Vordergrund ein verschlossener Eingang zur zweckentfremdeten Tiefgarage.

© Mike Wolff

Seit 2007 wird dieser Neubau am Müggelseedamm geplant, in diesem Jahr konnte endlich der erste Bauabschnitt begonnen werden. Hier soll ein zentraler Standort für sämtliche Werkstätten und Depots der Staatlichen Museen zu Berlin entstehen, der 13 500 Quadratmeter Nutzfläche bietet und hoffentlich 2023 bezogen werden kann. Seit ihrem Amtsantritt als Direktorin des Kunstgewerbemuseums vor fast zehn Jahren hat Sabine Thümmler lautstark eingefordert, dass ihr Haus dort genügend Stauraum zugewiesen bekommt.

Wer mit ihr durch die „Garage des Grauens“ geht, sieht allerdings auch, dass die dort gelagerten Kunstgegenstände nicht akut gefährdet sind. Denn die unterirdische Halle ist trocken und angemessen temperiert. „Das Klima ist stabil“, sagt Thümmler, „das ist die Hauptsache.“

Aus der Notlösung wurde ein Dauerprovisorium

Dennoch machen ihre die Dehnungsfugen auf der darüber liegenden Piazzetta Sorgen, durch die bei Starkregen Wasser eindringen kann. Ungünstig ist auch, dass die Möbel dicht an dicht auf Paletten stehen, sodass sie sich nur mühevoll bewegen lassen. Im künftigen Depot wird es praktische Rollregale geben, in denen sich platzsparend viel mehr Objekte unterbringen lassen, freut sich Sabine Thümmler.

Die Geschichte der zweckentfremdeten Garage steht symptomatisch für ein mangelhaftes wirtschaftliches Denken innerhalb der bürokratischen Großstruktur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ende der achtziger Jahre wurde alles für den vorbestimmten Zweck eingerichtet - es gibt Abbiege-Pfeile auf dem Asphaltboden, Einbahnstraßenschilder und Leuchtkästen, auf denen die verschiedenen Ausgänge zur Matthäuskirche oder zu den Museen angezeigt werden. Ja, es gibt sogar einen Tunnel, der den unterirdischen Komplex mit der Tiefgarage unter dem Kammermusiksaal verbindet.

Autofahrer hätten gerne Parkplätze an der Philharmonie

Theoretisch könnten Menschen, die hier parken, trockenen Fußes direkt ins Foyer der beiden Konzertsäle gelangen. Doch obwohl gerade abends Autofahrer in dieser Gegend dringend Parkplätze suchen, weil viele Menschen ungerne das Sony-Center nutzen, in dessen Tiefgarage man sich durch extrem enge Kurven zwängen muss, wird die Garage seit einem Vierteljahrhundert zweckentfremdet.

Sieben Euro kostet das Ticket für Konzertbesucher im Sony-Center. Hätten die Staatlichen Museen Mitte der neunziger Jahre irgendwo Depotflächen angemietet, um die Exponate des Kunstgewerbemuseums unterzubringen, die Stiftung hätte mindestens zehn Millionen Euro einnehmen können. Mit dem Drang der Philharmonie-Besucher nach Bequemlichkeit. 200 Stellplätze, die für einen Pauschalpreis von sechs Euro am Abend vermietet werden, bringen selbst bei Berücksichtigung der üblichen Sommerpause in der Klassikszene rund 400 000 Euro pro Jahr ein.

Auf Nachfrage ist aus der Abteilung „Medien und Kommunikation“ der Stiftung Preußischer Kulturbesitz allerdings zu hören, dass es bislang auch keine Pläne dafür gibt, wenigstens nach dem Depot-Umzug des Kunstgewerbemuseums die Fläche als kostenpflichtige Tiefgarage zu nutzen. An der Erschließung lukrativer Nebenerwerbsquellen ist in der Stiftung offensichtlich niemand interessiert.

Sonst hätte man ja auch die Freifläche hinter dem Kunstgewerbemuseum längst in einen Freiluftparkplatz verwandelt, statt hier nur Gras wachsen zu lassen. Offiziell sind diese wertvollen Quadratmeter zwar als Reserve für mögliche Erweiterungsbauten vorgesehen – die allerdings niemals auf den Weg gebracht wurden. Aus Geldmangel. Den man durch ein Quäntchen kaufmännischen Geschicks leicht hätte lindern können.

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