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Kommt in die Tüte. Der Schweizer Christian Pfluger und sein Kreativkosmos.

© privat

Die Weltraumforscher: Kaffee, Kuchen und Kometen

Er trat kaum auf, bediente sich beim Surrealismus und veröffentlichte nur auf Kassette. Eine Werkschau feiert Christian Pflugers surreales Pop-Projekt Die Welttraumforscher.

Da sind sie wieder, die drei drolligen Männchen, die schon Planeten bereist haben, von deren Existenz der Rest der Menschheit nicht den blassesten Schimmer hat. Es sind die Welttraumforscher und sie waren bereits auf der Rückseite der allerersten Kassette des gleichnamigen Projekts abgebildet. Auf der eben erschienen zweiteiligen Werkschau, finden sie sich wieder. Die erste CD zeigt sie vorne auf dem Cover, auf der zweiten sind sie auf der Rückseite zu sehen.

40 Jahre gibt es die Welttraumforscher, hinter denen der bei Zürich lebende Christian Pfluger steckt, der sonst als Programmgestalter und Vorführer in einem Kino arbeitet. Von Beginn an lässt er seine drei Figuren, die Sonne, Mond und Sterne symbolisieren, durch sein ständig weitergesponnenes Universum aus surrealistischen Traumwelten, Casio-Pop in Neuer-Deutscher-Welle-Tradition und Kinderfantasien fliegen.

Ihre Abenteuer werden dabei nicht nur in der Musik, sondern auch in Pflugers selbstgezeichneten Collagen festgehalten, mit denen er seine zahllosen Kassetten, Schallplatten und CDs illustriert.

Dazu gibt es Texte, sogar Bücher, einen stetig wachsenden, multimedialen Kosmos rund um die Traumreisen der drei Astronauten. Immer wieder tauchen auch deren Freunde aus den entdeckten Orten im Weltall auf, etwa Leguan Rätselmann und Kip Eulenmeister. Die Songs tragen Titel wie „Kaffee, Kuchen und Kometen“ oder „Alchemie am Wochenende“.

Für seine Klanglandschaften aus Billigkeyboardklängen, die bei allem Drang zur psychedelischen Seltsamkeit immer von einer bemerkenswerten Sensibilität für einen guten Popsong zusammengehalten werden, hat er gar eine eigene Genre-Bezeichnung erfunden. Pfluger nennt sie Bretzelbergpop. Das ganze ist eine herrliche Spinnerei, eine Art vertonte Kinderbuchsaga und die ganze Geschichte der träumenden Sternenwanderer ist auch nach vier Jahrzehnten noch nicht zu Ende erzählt.

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Die Welttraumforscher sind eines der eigenwilligsten und enigmatischsten Langzeitprojekte der Outsider-Popmusik überhaupt. Kultisch verehrt von ein paar Kennern und Liebhabern, von Bands wie Mouse On Mars, von Musikern wie Yellos Dieter Meier, gewürdigt auch in diversen Remixen.

Doch außerhalb dieser Nische kennt die Welttraumforscher kaum jemand. Vielleicht sind sie ja auf anderen Planeten etwas bekannter. Um so schöner, dass die kleine Werkschau des rührigen Hamburger Labels Bureau B, die auf zwei einzeln erhältlichen Platten verteilt wurde, das nun ändern möchte.

[Die Welttraumforscher: „Die Rückkehr der echten Menschheit: Die Jahre 1981–1990“ und „Wir arbeiten für die nächste Welt: Die Jahre 1991–2012“ erscheinen bei Bureau B.]

Dass die Welttraumforscher nie wirklich bekannt wurden, auch in der Schweiz nicht, liegt zum Großteil an Christian Pfluger selbst, der sich nie bemüht hat, sein Projekt größer werden zu lassen. Als er zur Hochzeit der NDW Anfang der Achtziger damit begonnen hat, war es nicht so ungewöhnlich, Musik auf Kassetten zu veröffentlichen. Man agierte mit diesem Format unabhängig von größeren Labels und hatte die totale künstlerische Freiheit.

Pfluger ist so gut wie nie aufgetreten

Doch wo andere aus dieser Kassettenszene dann möglichst bald lieber Schallplatten veröffentlichten, um ihre Musik besser verbreiten zu können, blieb Pfluger die ganzen Achtziger über dem Medium treu und veröffentlichte seine Tapes stoisch auf seinem eigenen Label. So kommt es, dass auf dem ersten Teil der nun erschienenen Werkschau mit dem Titel „Die Rückkehr der echten Menschheit“, der seine mit einem Vier-Spur-Rekorder aufgenommenen Stücke aus den Achtzigern versammelt, stets ein Bandrauschen zu hören ist.

Das konnte selbst bei der nachträglichen Bearbeitung nicht völlig eliminiert werden. Allerdings gehört diese Lo-Fi-Ästhetik einfach auch zum Charme der Welttraumforscher.

Christian Pfluger ist in den letzten 40 Jahren so gut wie nie live aufgetreten und Interviews waren auch nie sein Ding. Er verschwand als Person lieber völlig hinter seiner Traumkunstwelt. Ähnlich wie die immer noch existierende Band The Residents aus San Francisco, die ein wichtiger Einfluss für Pfluger war und bei der bis heute niemand weiß, wer wirklich hinter der Musik steckt.

Dabei ist der Schweizer überhaupt kein Geheimnistuer. Man kann sogar mit ihm telefonieren und sich von ihm seine Arbeit erklären lassen. Gerade arbeite er weniger auf musikalischer Ebene an den Welttraumforschern, berichtet er bei dem Gespräch. „Aktuell zeichne und schreibe ich mehr für das Projekt. Eben ist ein ganzes Buch dazu fertig geworden, eine sehr lange Erzählung. Dafür habe ich aber noch keinen Verlag gefunden.“

Der Surrealismus ist wichtig für ihn gewesen

Er blickt in dem Telefonat zurück auf seine musikalischen Anfänge und sagt, dass er eigentlich gar nicht dachte, dass sich das Projekt nach seiner ersten Kassette mit dem Titel „Herschlag Erde“ verstetigen würde. Zu den Einflüssen für seine Arbeit erklärt er, dass diese nicht nur musikalischer Natur seien.

Vielmehr sei der Surrealismus für ihn wichtig gewesen und vor allem die Kinderbücher der finnischen Autorin Tove Jansson rund um deren trollhaften Mumins-Figuren. Der Aspekt des Träumens sei ihm bei den Welttraumforschern fast wichtiger als der des Weltraums, „aber das ganze ist kein strenges Konzept, man kann es interpretieren, wie man will.“

Schade ist bloß, dass man nur zwei CDs mit Stücken der Welttraumforscher bekommt. Es gibt so unendlich viele weitere, verteilt auf zig nur sehr schwer erhältlichen Tonträger aller Art. Dabei würde man sich gerne noch viel länger durch das von Christian Pfluger entworfene All träumen. Um etwa auf dem Kontinent Binika noch einen Tee mit Ohm Olunde zu trinken.

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