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Uwe Tellkamp (l.) und Durs Grünbein (r.) am 9.3. im Dresdner Kulturpalast.

© Dietrich Flechtner/dpa

Die Verlage und die Rechten: Suhrkamp distanziert sich von Tellkamp? Das ist erstaunlich

Leipzig diskutiert, ob man rechte Verlage auf der Buchmesse dulden soll oder nicht. Und Schriftsteller Uwe Tellkamp outet sich währenddessen als AfD- und Pegida-Fan.

Am kommenden Mittwoch erst wird die Leipziger Buchmesse eröffnet, doch schon jetzt hat sie ihren Aufreger, der sie wohl bis zum Sonntag begleiten wird: die rechten Verlage, vier, fünf an der Zahl, die in den Messehallen ausstellen dürfen. Was von Messedirektor Oliver Zille damit begründet wurde, dass die Buchmesse ein „öffentlicher Raum“ sei und sie „qua ihres eigenen Statutes für die Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit“ eintrete. Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hatte sich vor ein paar Tagen erfolglos für eine Ausladung der Verlage eingesetzt, und nun haben auch Studierende der deutschsprachigen Literaturinstitute in einer Petition an die Stadt den Ausschluss rechter Verlage von der Messe gefordert.

Daraufhin teilte ausgerechnet die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“ diese Woche mit, entgegen der ursprünglichen Planungen nicht an der Messe teilnehmen zu wollen. Der Grund: Die Messe habe ihren Stand in den „rechtsextremen Block“ gesteckt habe, (genau: rechtsextrem!, meint die rechte „Junge Freiheit“), was „absolut rufschädigend und wirtschaftlich sinnlos“ sei, wie der Geschäftsführer der Zeitung Dieter Stein sagte. Dieser „rechtsextreme Block“ sei von der Messe konstruiert, so Stein weiter, überdies würde sie mit der Aktion „Verlage gegen Rechts“ kooperieren. Diese Initiative besteht aus 45 unabhängigen Verlagen sowie rund 100 Einzelpersonen, die einen Aufruf gegen rechte Stimmungsmache auf der Buchmesse unterzeichnet haben und Aktionen gegen Rechts auf der Messe planen.

Schauerlich raunende Mutmaßungen

Wie weit die Verwerfungen reichen, nämlich bis in die Literatur selbst, in die Reihen der Schriftsteller, ließ sich am Donnerstagabend verfolgen, bei einem Streitgespräch in Dresden zwischen den beiden Dresdner Schriftstellern Uwe Tellkamp und Durs Grünbein. Tellkamp demonstrierte, wie nahe er der AfD steht und der Pegida-Bewegung, wie sehr er das Gefühl hat, seine Meinung nicht kundtun zu dürfen. Er teilte mit, was er vom Islam hält („hat mit unserem Wertesystem nichts am Hut“), oder von der Flüchtlingspolitik Angela Merkels.

„Wenn ich ein Wort wie Schutzsuchende höre, dann zögere ich“, sagte Tellkamp zum Beispiel und mutmaßte schauerlich raunend, 95 Prozent aller Geflüchteten kämen nur nach Deutschland, um hier„ „in die Sozialsysteme einzuwandern“. Sie würden eben nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen. Woher er das so genau weiß, sagte Tellkamp nicht Oder er fragte „Wie wird geredet über abweichende Meinungen?“ und sprach von „tendenziöser Berichterstattung“, von der „Mainstreampresse“ und einem „Gesinnungskorridor zwischen gewünschter und geduldeter Meinung“. Und: Seine Meinung sei nur geduldet.

"Charta 2017" kritisierte "Gesinnungskorridor"

Das Wort „Gesinnungskorridor“ fiel übrigens auch 2017 in einem Offenen Brief der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen. Nach den Vorfällen bei den rechten Verlagsständen während der Frankfurter Buchmesse rief sie die „Charta 2017“ ins Leben, die auch von Uwe Tellkamp unterzeichnet wurde. Darin heißt es unter anderem: „Wenn ein Branchen-Dachverband wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Buchhandlungen und Verlage vereint, darüber befindet, was als Meinung innerhalb des Gesinnungskorridors akzeptiert wird und was nicht, (...) dann ist unsere Gesellschaft nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“.

Was Tellkamp wohl nun davon hält, dass sich sein Verlag umgehend distanziert hat? Unter dem Hashtag Tellkamp twitterte Suhrkamp: „Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu verwechseln.“ Der Twitter-Eintrag zielt auf Tellkamp, nicht auf seinen ebenfalls bei Suhrkamp unter Vertrag stehenden Mitdiskutanten Durs Grünbein. Ob das Wasser auf Tellkamps Mühlen ist? Ob er sich dort weiter geduldet fühlt mit seiner bloß „geduldeten Meinung“? Oder verlässt er Suhrkamp nun? Die Distanzierung des Verlags ist jedenfalls erstaunlich, bei Peter Handke (Milosevic!) gab es sie beispielsweise nicht.

Anmerkung der Redaktion: Zuvor stand im letzten Satz des Artikels, dass sich der Verlag auch nicht von Sibylle Lewitscharoffs umstrittener Dresdner Rede distanziert habe. Der Satzteil wurde herausgenommen, da sich der Verlag doch von der Rede distanziert hat.

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